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„Eher verkrüppelter Menschentyp“
In wenigen “Wochen will Unterrichtsminister Sinowatz seine Schlüsse aus der IFES-Untersuchung über die kulturellen Gewohnheiten der Österreicher ziehen. Ein „Maßnahmenkatalog“ soll die Vorschläge enthalten, die der Unterrichtsminister den Österreichern als „kulturelle Kur“ verordnen will.
Freilich: Politik spielt dabei offenbar eine ganz erhebliche Rolle. Kulturelle Aktivitäten sind nämlich in Österreich gemäß Bundesverfassung Landessache; soll aber das geschehen, was Sinowatz andeutet, zu beabsichtigen, so muß die Stoßrichtung der Kulturoffensive in Richtung auf die Bundesländer zielen. Doch die Bundesländer haben bisher nichts .vom Unterrichtsminister gehört. Der steirische Landesrat Jungwirth erklärt sogar, die IFES-
Mittlerweile hat keinerlei Gespräch mit den Landeskulturreferenten stattgefunden — und zumindest wurden offiziell die Vertreter der Länder auch nicht zu der Ausarbeitung des Maßnahmenkatalogs eingeladen. Anderseits ist es keine Frage, daß die Länder bei der Durchführung von Kulturmaßnahmen nicht nur die Hauptkompetenz, sondern auch die Hauptinitiative haben werden müssen:
• Soll eine grundlegende Neueinstellung der Österreicher in bezug auf Kulturkonsum und kulturelle Aktivität erfolgen, muß — wie auch die IFES-Studie folgert — möglichst früh in der Schule, ja im Kindergarten begonnen werden. Es gibt aber keine „Bundeskindergärten“ und auch die Volksschulen werden von den Ländern verwaltet.
Es gibt, so die IFES-Studie — erhebliche lokale Beschränkungen in bezug auf kulturelle Offenheit. In ländlichen, aber auch verstädterten Gebieten in einigen Bundesländern werden kaum attraktive Möglichkeiten zur Kreativität angeboten. „Kulturstätten“, also lokale Zentren für kulturelle Aktivität (wie sie der Burgenländer Sinowatz insbesondere aus seinem Bundesland kennt) sind aber nur dann möglich, wenn die Bundesländer mitwirken, ja solche lokale Zentren auch verwalten.
• Soll das kulturelle Angebot vor allem auch via Massenmedien an die Österreicher herangetragen werden, bedeutet dies eine verstärkte Mitwirkung der Bundesländer an der Programmgestaltung. Eine „Regio-nalisierung“ — auch des Fernsehens
— wie sie schon im Hörfunk erfolgt
— ist derzeit ja vor allem ein technisches und finanzielles Problem. Aus diesem Blickwinkel ist auch der „Aufstand“ der Landeshauptleute und Landeskulturreferenten — sowohl rot wie schwarz — gegen das
Schweigen des ORF und des Unterrichtsministeriums über Pläne zu verstehen, eine „Bildungsakademie“ zu installieren: also Fernstudien und ein „Dritter Bildungsweg“ via TV nach englischem und deutschem Muster („Telekolleg“) einzurichten.
Es mag verlockend erscheinen, Kulturpolitik als Administration von oben zu betreiben. Es ist allerdings eine Frage, ob damit die notwendige Verbreitung kultureller Ambition und die Weckung eines „Kulturbewußtseins“ erreicht werden kann. Eine Kulturpolitik ohne Einschluß der Bundesländer wäre nicht nur falsch, sondern schlechthin sinnlos.
Vielmehr sollte Kulturpolitik eine Sache der Konkordanz sein — nicht der Boden für parteipolitische Konfrontation. Angesichts des so außerordentlichen Nachholbedarfes — wie ihn nicht nur die IFES-Untersuchun-gen, sondern auch schon vorher der Mikrozensus erwies — scheint Einvernehmen in Grundsatzfragen zwischen den beiden großen politischen Lagern wünschenswert.
Offensichtlich ist dies auch die Absicht des Unterrichtsministers. Und auch die beiden ÖVP-Kulturlandes-
räte Ratzenböck (Oberösterreich) und Jungwirth (Steiermark) geben sich eher zurückhaltend, wenn es um klare Aussagen über ihre Kampfbereitschaft gegen das Unterrichtsministerium geht. Dennoch ist nicht zu übersehen, daß es in der Volkspartei neuerlich starke Impulse gibt, vor allem via Länder eine sehr eigenständige Kulturpolitik zu betreiben. Die Bundesländer Steiermark und Oberösterreich zusammen geben etwa für Denkmalpflege in ihren Bereichen heute mehr aus als der Bund insgesamt in ganz Österreich; Oberösterreich hat mit der Einführung eines „Theatertages“ und einer Aktion „Schüler in die Museen“ bisher tausende Lehrer und Schüler mit kulturellen Einrichtungen konfrontiert. In der Steiermark wiederum verweist man auf nunmehr 34 Musikschulen und auf eine Steigerung der Dotierung um 320 Prozent seit 1970. Jungwirth: „Die musische Betätigung kommt in unserem Schulsystem, vor allem auch bei einigen neuen Schulversuchen immer mehr unter die Räder. Die Folge wird ein eher verkrüppelter Menschentyp sein“.
Aber auch die oppositionelle Wiener ÖVP ließ mit einem Kulturgespräch im Rahmen ihres neuen „City-Klubs“ aufhorchen; parallel zu den Festwochen konstatierte die Wissenschaftlerin Professor Erika Weinzierl (Salzburg) auch die kulturellen Initiativen der Wiener als eher spärlich: „In erster Linie konsumieren sie und gehen mit steigender Frequenz, auch die jungen, zum Heurigen“.
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