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Die politische Zugehörigkeit spielt keine Rolle mehr

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Sowohl durch die Kompetenzen des Bundes für das Bildungswesen als auch wegen der im Parlament notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit bezüglich aller wichtigen schulgesetzli- , chen Regelungen ist man in Österreich weithin der Ansicht, daß die Schulpolitik in den Ländern und Gemeinden nur eine nachrangige Bedeutung einnimmt. Sicher ist in Österreich das Bildungswesen eher zentralistisch geregelt. Trotzdem aber kann festgestellt werden, daß die konkrete Gestaltung der Bildungssituation durchaus Unterschiede zuläßt und es somit auf vielen, Gebieten der Landesschulpolitik möglich ist, eigene Wege zu gehen.

Auf dem Sektor der Pflichtschulor- ganisation sind es sowohl die außerordentlich großen Mittel, die für Schulbau und -einrichtungen seitens des Landes aufgewendet werden, als auch die grundsätzlichen Tendenzen bezüglich der Schulstruktur der oberösterreichischen Pflichtschulen. In Ober- Österreich werden jährlich für Schulbauten und -einrichtungen für Pflichtschulen über 500 Millionen Schilling seitens des Landes ausgegeben. Dieser Betrag ist größer als der sieben anderer Bundesländer zusammengenommen.

In etwas unterschiedlicher Tendenz den Bestrebungen anderer Länder gegenüber wird in Oberösterreich versucht, für die Grundschule ein weites und breit gestreutes Netz von neu errichteten und bestausgestatteten Schulen anzubieten, was natürlich bewirkt, daß es in den 445 Gemeinden Oberösterreichs über 100 zwei- und dreiklassige Volksschulen gibt. In Zukunft wird es kaum zu Auflösungen zwei- und dreiklassiger Volksschulen kommen, vielmehr wird man versu chen, im Interesse einer kinder- und volksnahen Schulpolitik auch in Zeiten zurückgehender Schülerzahlen die Volksschule in den Märkten und Dörfern bestehen zu lassen.

Eigenständigkeit weist die ober- österreichische Schulpolitik auch auf dem Lehrerpersonalsektor auf. Obwohl in Oberösterreich sowie in anderen Ländern eine sehr starke Orientierung der Lehrer in weltanschaulichen Organisationen besteht (der Christliche Lehrerverein für Oberösterreich hat 8400 Mitglieder und ist die größte Lehrerorganisation in einem Bundesland Österreichs), wurde doch versucht, die parteipolitische Verkrustung des Emennungswesens zu lok- kem.

Bei der Neulehrereinstellung spielen politische Zugehörigkeit oder Unterstützungen keine Rolle, vielmehr werden die Bewerber um Dienstposten nach ihrem Studienerfolg, ihrer persönlichen sozialen Situation und einer allfalligen sozialen Aktivität (Jugendverbände, sportliches und kulturelles Engagement) gereiht und den Bezirken zur Dienstleistung zugewiesen. Dabei soll keineswegs der Lehrer wieder in die Rolle des Vereinsmeiers gedrängt werden; es müssen aber die Prinzipien der Leistung, der sozialen Gerechtigkeit und der Engagiertheit für das Gemeinwesen berücksichtigt werden.

In gleichem Maße ist es gelungen, bei der Versetzung der Lehrer von Bezirk zu Bezirk grundsätzlich nur noch das Dienstalter, die soziale Lage und die Qualifikation als ausschlaggebend wirksam werden zu lassen. Noch vor 1973 hatten Lehrer in der Regel nur dann eine Chance versetzt zu werden, wenn ihr parteipolitisches Bekenntnis zu den Mehrheitsverhältnissen des angestrebten Bezirkes paßte.

Ähnliche Maßnahmen sind auch für das Emennungswesen auf schulfeste Stellen und Leiterposten getroffen worden. Die Volkspartei und die Freiheitliche Partei bekennen sich zur sogenannten Objektivierung des Lehrerernennungswesens, die darin besteht, daß die Bewerber exakt nach Qualifikation, Dienstalter und sozialer Lage gereiht werden und die Entscheidungen der Kollegien im Bereich einer zehn Prozent umfassenden Spitzengruppe zu treffen sind. Als Besonderheit ist dabei anzusehen, daß unter Qualifikation nicht nur die Dienstbeurteilung verstanden wird, sondern es den Lehrern möglich ist, durch Kursbesuche, Mitarbeit in der Lehrerfortbildung, schulspezifische Tätigkeiten pädagogischer Art, Veröffentlichungen u. dgl. ihre persönlichen Chancen zu erhöhen.

Das Bundesland Oberösterreich hat auch einen hoher» Anteil an den schul- reformato rischen Bestrebungen in Österreich. Rund 25 Prozent der österreichischen Schulversuche werden in Oberösterreich abgehalten. Durch eine weite Streuung des Schul- versuchsnetzes und der Versuchspalette soll erreicht werden, daß alle Eltern und Lehrer des Landes durch unmittelbare Kontakte mit Versuchsvorhaben die Möglichkeit des Einblickes und der kritischen Stellungnahme haben.

Wenn dabei seit Jahrzehnten Oberösterreich wie z. B. in der Frage der Fünftagewoche eigenständige Wege geht, so geschieht dies nicht deswegen, weil man die Leistungen und die Haltungen anderer Bundesländer mißachtet, sondern weil man der Meinung ist, daß bei der Einordnung in das Ganze des österreichischen Schulwesens Eigeninitiative und Aufbau auf der gesicherten Erfahrung mit eine entscheidende Rolle spielen müssen.

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