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Lehrerbestellung ohne Parteiprotektion ist möglich

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Für die Neuaufnahme bzw. für die Beförderung gelten beim öffentlichen Dienst eher grobmaschige gesetzliche Bestimmungen. Sie können jedoch nicht verhindern, daß immer wieder die Vermutung laut wird, es gäbe einseitige Praktiken der Behandlung und Formen der parteipolitischen Bevormundung. Wenn aber unobjektive Vorgangsweisen denkbar sind, dann stellt dies besonders für den Lehrberuf ein nicht hinzunehmendes Ärgernis dar. Schließlich sollen Lehrer ganz ihrer pädagogischen A ufgabe verpflichtet sein und frei von vordergründigen parteipolitischen Einflüssen im Dienst der Schule für die Kinder mit den Eltern und zur Zufriedenheit der vom Staat eingesetzten Schulaufsichtsbehörden arbeiten können. Seit über sechs Jahren wird in Oberösterreich in der Lehrerpersonalpolitik ein Modell praktiziert, das im Sinne sogenannter Objektivierungsrichtlinien versucht, eine möglichst gerechte Behandlung der Postenbewerber zu garantieren.

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Für die Neuaufnahme bzw. für die Beförderung gelten beim öffentlichen Dienst eher grobmaschige gesetzliche Bestimmungen. Sie können jedoch nicht verhindern, daß immer wieder die Vermutung laut wird, es gäbe einseitige Praktiken der Behandlung und Formen der parteipolitischen Bevormundung. Wenn aber unobjektive Vorgangsweisen denkbar sind, dann stellt dies besonders für den Lehrberuf ein nicht hinzunehmendes Ärgernis dar. Schließlich sollen Lehrer ganz ihrer pädagogischen A ufgabe verpflichtet sein und frei von vordergründigen parteipolitischen Einflüssen im Dienst der Schule für die Kinder mit den Eltern und zur Zufriedenheit der vom Staat eingesetzten Schulaufsichtsbehörden arbeiten können. Seit über sechs Jahren wird in Oberösterreich in der Lehrerpersonalpolitik ein Modell praktiziert, das im Sinne sogenannter Objektivierungsrichtlinien versucht, eine möglichst gerechte Behandlung der Postenbewerber zu garantieren.

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Das oberösterreichische Modell der Lehrerbestellung wurde als Konsequenz der Landtagswahlen vom Herbst 1973 im Frühjahr 1974 von einer sogenannten Objektivierungskommission erarbeitet. Dieser Kommission gehörten die Fraktionsführer des Kollegiums, die Vorsitzenden des Schulausschusses des Oö Landtages, Obleute der Lehrervereinigungen, Vorsitzende der Zentralausschüsse der Lehrer, Vertreter von Eltern, Jugend und Familienorganisationen sowie Schulaufsichtsbeamte an.

Das Modell wurde nach einjähriger Bewährungsphase modifiziert und ist seit 1975 in regelmäßiger Anwendung. Obwohl bei den Landtagswahlen 1979 die österreichische Volkspartei die absolute Mehrheit im Lande erringen konnte und daher nun auch in den Schulgremien eine absolute Mehrheit besitzt, wird weiter und auch in weiterer Zukunft die Objektivierung der Lehrerpersonalpolitik strikte eingehalten. Sie umfaßt im wesentlichen vier Bereiche:

• Die Neuaufnahme in den Schuldienst als Pflichtschullehrer: Die Absolventen der Pädagogischen Akademien, die beim Landesschulrat um Aufnahme in den Dienst ansuchen, werden in eine Rangreihe gebracht, wobei die Faktoren Studienerfolg, persönlicher sozialer Bereich und soziales Engagement zur Anwendung gelangen. Bewerber, die einen „ausgezeichneten" Studienerfolg aufweisen, erhalten bevorzugt eine Anstellung in einem Wunschbezirk, verheiratete Bewerber und Bewerber, die Kinder zu versorgen haben, werden ebenfalls bei der Zuteilung bevorzugt und schließlich wird auch berücksichtigt, ob schon während der Studienzeit eine Tätigkeit, etwa in Jugendorganisationen, bei kulturellen Einrichtungen oder in Sportvereinen ausgeübt wird und es im öffentlichen Interesse liegt, daß diese Tätigkeit nach Möglichkeit weiter betrieben werden kann.

Bis jetzt waren diese Maßnahmen in erster Linie dafür entscheidend, ob ein Bewerber in seinen Heimatbezirk oder in einen sogenannten Wunschbezirk kommen konnte. Künftig, bei dem sich abzeichnenden Uberangebot an Neulehrern, wird die Objektivierung der Neulehreraufnahme auch über die allfällige Wartezeit zu entscheiden haben, wobei durch diese Verschärfung der Lage weitergehende Überlegungen sich anbieten.

Bis zum Jahr 1973, also bis zur Einführung dieser Form der Neulehrereinstellung, war es in einer Reihe von Bezirken, vor allem im städtischen Zentralraum, in Oberösterreich häufige Praxis, daß die Neulehrer nach dem politischen Bezirksproporz zugeteilt wurden, also etwa im Bezirk Steyr-Stadt bei einer Zuteilung von elf Lehrern, neun von sozialistischer Seite und zwei von der ÖVP-Seite vorgeschlagen werden konnten. Seit der Einführung der Objektivierung der Neulehrereinstellung spielt das politische Zwangsbekenntnis keinerlei Rolle mehr.

• Die Versetzung von Lehrern von Bezirk zu Bezirk: Der sehr häufig, vor allem aus familiären Gründen geäußerte Wunsch von Lehrern, in einen anderen Bezirk wechseln zu können, war früher ebenfalls teilweise von einer politischen Zustimmung abhängig. Seit der Objektivierung der Personalpolitik in Oberösterreich werden die Bewerber, die in einen anderen Bezirk wechseln wollen, ebenfalls in eine den Bezirksschulräten übermittelte Rangreihe gebracht, die sich aus dem Dienstalter, aus der Prüfungssituation und aus der sozialen Lage ergibt. ,

Es ist anzuerkennen, daß das vom Gesetz verlangte Einverständnis der Bezirksschulräte aufgrund dieser objektiven Personallisten in den letzten Jahren in allen Fällen und überall erreicht werden konnte, wobei die anfänglich geübte Skepsis der Schulbehörden in den Statutarstädten abgebaut werden konnte.

• Die Ernennung auf schulfeste Lehrerstellen bzw. die Ernennung zum Leiter einer Pflichtschule: Es ist für das berufliche Schicksal von Lehrern sehr wesentlich, ob sie an einer Schule schulfest werden und somit ihre private Zukunft darauf aufbau en können, dauernd in einem bestimmten Ort ansässig zu sein, oder ob sie eine leitende Funktion, also einen sogenannten Direktorenposten bekleiden können.

Das Gesetz kennt drei Faktoren der Ernennung, und zwar zunächst die Qualifikation, dann das Dienstalter und schließlich die sozialen Umstände. Diese Grundklassifizierung des Gesetzes wurde nun in Oberösterreich in eine Relation gebracht, wurde operationali-siert und im Interesse der Durchschau-barkeit und Uberprüfbarkeit wurde ein Punktesystem erstellt.

Dieses Punktesystem, das eine Ge-samtpunkteanzahl von 2.800 Punkten als Obergrenze kennt, setzt fest, daß 30 Prozent der Punktesumme, also maximal 840 Punkte, für das Dienstalter vergeben werden, 60 Prozent, also maximal 1.680 Punkte für die Gesamtbeurteilung sowie für pädagogische, administrative und wissenschaftliche Sonderleistungen und schulspezifisches soziales Engagement erreicht werden. Schließlich werden 10 Prozent den persönlichen sozialen Umständen zugemessen.

Bedeutsam erscheint, daß das Punktemaximum für das Dienstalter mit 55 Lebensjahren erreicht werden kann und die sogenannten pädagogisch-wissenschaftlich-administrativen Sonderleistungen im Sinne einer Prognose für die künftige Tätigkeit als Lehrer auf einem bestimmten Dienstposten bzw. als Leiter auf einer bestimmten Leiterfunktion dienen.

Als Beispiel sei angeführt, daß für den Besuch eines Leiterausbildungskurses, für die Tätigkeit als Besuchsund Praktikumslehrer oder als einführender Professor, für die Tätigkeit als Lehramtsprüfer, für pädagogische oder fachwissenschaftliche Veröffentlichungen, für die Aktivität als Arbeitsgemeinschaftsleiter oder als Referent annbsp;Fortbildungsveranstaltungen Punkte erreicht werden können. Darüber hinaus können auch die Teilnahme an amtlichen Fortbildungsveranstaltungen, die Arbeit in Schulversuchen, die Tätigkeit als Erzieher oder aber auch als Berater von Schülern sowie als Berater und gewählter Vertreter von Lehrern mitgewertet werden.

Durch verschiedene statistische Maßnahmen ist sichergestellt, daß jeweils für bestimmte anrechenbare Faktoren Höchstwerte eingeführt sind, so daß nicht die einseitige Neigung oder Bereitschaft eines Lehrers für bestimmte Aktivitäten den Ausschlag gibt, sondern den Gesamteindruck und die Summierung aller Faktoren den erwähnten Prognosewert ausmachen.

Schließlich sollten auch in legitimer Auslegung der gesetzlichen Grobklassifizierung für die sozialen Umstände Richtwerte eingeführt werden. Bei Faktoren, wie Kinderzahl, Alleinverdiener, Ortsansässigkeit oder Sorgepflicht für Familienangehörige, die eingerechnet werden, ist aber weiter dafür gesorgt, daß durch den erreichbaren Höchstwert von 280 Punkten zwar die individuelle Situation eines Bewerbers im Verfahren verbessert werden kann, nicht aber grundsätzlich solche sozialen Umstände gegenüber den pädagogischen und organisatorischen Erfordernissen im Vordergrund stehen.

Seit der Einführung dieses Punktesystems wurden im Lande Oberösterreich über 3.000 Ernennungsvorschläge von den Kollegien erstellt, wobei die Vereinbarungen festliegen, daß die Bewerber in einesogenannte Amtsreihung gebracht werden und über jene Bewerber in den Kollegien dann noch spezifisch diskutiert wird, die vom Bestbewerber an gerechnet innerhalb von 10 Prozent der Höchstpunktesumme liegen.

Innerhalb dieses Diskussionsbereiches sollen dann weitere, punktemäßig nicht quantifizierbare Faktoren, die für oder gegen einen Bewerber sprechen, in die Diskussion eingebracht werden.

Ausdrücklich wurde aber festgelegt, daß für die Anwendung dieses sogenannten „Swings" parteipolitische Gründe nicht herangezogen werden dürfen.

• Die Objektivierung der Ernen-nungsvörschläge für Schulaufsichtsbeamte: Dem Bundesministerium für Unterricht und Kunst werden für das Amt eines Schulaufsichtsbeamten (Landes-schulinspektor, Bezirksschulinspektor) ansuchende Bewerber nach Beschlußfassung im Landesschulratskollegium solche Lehrer zur Ernennung vorgeschlagen, die eine ausgezeichnete Qualifikation, ein Mindestalter von 16 Dienstjahren, eine erfolgreiche Tätigkeit in der Lehrerfort- oder -ausbildung aufweisen, die weiter einschlägige Veröffentlichungen pädagogisch-wissenschaftlicher oder schulpraktischer Art verfaßt haben und die ihre pädagogisch-organisatorischen Fähigkeiten nachweiseri können.

Das oberösterreichische System der Lehrerernennung ist sicher noch entwicklungsfähig und wird auch immer wieder in Diskussion gezogen. Es zeigt sich aber im Rahmen von Personalvertreterwahlen, bei Meinungsumfragen unter der Lehrerschaft, vor allem aber an Hand der Leistungen der ausgewählten Persönlichkeiten, daß es letztlich doch ein tauglicher Weg zeitgemäßer Personalpolitik zu sein scheint.v

(Der Autor ist Amtsfiihrender Präsident des Lan-, desschulrülcs Tür Oberösterreich.)

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