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Verzettelte Millionen?
„Wir fordern die Aufstockung des Kunstankaufsbudgets um mindestens das Zehnfache!“ „Das Kulissendepot kriegt hierzulande mehr als die gesamte Bildende Kunst.“ „Der Fehler der österreichischen Kultursubvention ist, daß hier Institutionen gefördert werden und nicht Aktivitäten...“
Harte Kritik, die Österreichs Kulturpolitiker da kürzlich einstecken mußten. Aber nicht etwa von ÖVP-nahen Presseorganen. Diesen massiven Angriff startete eine Phalanx international prominenter österreichischer Künstler: Alfred Hrdlicka, Adolf Frohner, Georg Eisler, Mario Decleva usw. Sie kritisierten das „indiskutable Mißverhältnis zwischen produzierender und reprodu-
zierender Kunst“ in Österreich, protestierten gegen die Kunstsituation: „Die Kunstförderung ist hier nur ein Beruhigungsmittel, ein Sedativum für die Bildende Kunst“, und zwar bei Bund und Gemeinden.
Unterrichtsminister Sinowatz reagierte darauf prompt: Die seit Monaten auf dem Papier vorbereitete „beratende Kunstankaufskommission“ wurde bestellt, Hrdlicka, Paul Flora, Architekt Hans Hollein, Ex-museumschef Fritz Novotny und Galerieleiterin Lee . Springschitz für eineinhalb Jahre mit der „beratenden Funktion“ betraut. (Sie werden am 13. Dezember erstmals über Aufgaben und Arbeitsmethoden konferieren.) Immerhin eine Kommission mit wenigstens drei prominenten Künstlern, die über den Tagesproblemen stehen und mit ihrem kompromißlosen Engagement für Qualität und das Neue nie hinter dem Berg gehalten haben; auch wenn weder Qualität noch das Neue im Kunstförderungsprogramm des Unterrichtsministeriums sonderlich gefragt waren. Minister Sinowatz präzisierte übrigens auch gleich, was er sich von dieser Kommission erwartet: „Eine Erarbeitung eines grundsätzlichen Förderungskonzepts, konkrete Vorschläge für die Entscheidungen bei Ankäufen, Stipendien, Projektförderungen und ähnliches ...“ Im Grunde die Einleitung „eines Prozesses der Bewußtseinsveränderung, von der hohen
Bewertung der reproduzierenden Künste zu den produzierenden ...“
Ein erfreuliches Bekenntnis. Es droht freilich schon jetzt Bekenntnis zu bleiben. So sind zum Beispiel bereits einige Künstlervereinigungen, bisher „privilegierte“ Subventionsempfänger, zum Abwehrkampf gegen eine Veränderung des Subventionssystems angetreten...
Was wieder indirekt zeigt, daß mit der Bestellung einer Ankaufskommission allein eigentlich sehr wenig getan ist. Denn das Hauptproblem ist die grundsätzliche ministerielle Einstellung gegenüber jeglicher Kunstförderung: Förderung des Hochwertigen und indirekte Vermehrung des Staatsvermögens durch Kunstkauf (der mit „Förderung“ gar
nichts zu tun hat!) oder sozial-karitative Zuwendungen... ?
„Alle Monate kann einer kommen und wir werden kaufen“, lautete bisher der ministerielle Grundsatz. Das Ergebnis: Riesenausgaben für Lokalmatadore, für Künstler, die vielfach Zeit-, Rand- und Nebenerscheinungen waren und in keinem Museum je einen Platz bekommen werden. Damit stellte man sich das Zeugnis aus, bloß Geldbriefträger für eine Schar von Subventionsabonnenten zu sein. Eine Caritas, die das ohnedies so magere Kulturbudget durch eine verfehlte Ankaufspolitik schwer belastet, anstatt Ankäufe prinzipiell mit dem Museum des 20. Jahrhunderts, der notleidenden Albertina usw. zu koordinieren und so für den Staat „effektiv“ zu kaufen. Eine Verzettelung von Millionen also, obgleich noch nicht einmal die Hauptwerke der österreichischen Kunst der Gegenwart in unseren Sammlungen zu finden sind.
Hier zu korrigieren und „Meinung“ zu machen, wird die Aufgabe der Kunstkommission sein: ein System zu finden, in dem „effektiv“, also streng qualitätsorientiert gekauft wird, junge, vielversprechende Künstler gefördert und „Fälle für die Caritas“ human, der Wohlstandsgesellschaft entsprechend, behandelt werden; und ein Fernziel: daß man sogar über die provinzielle „Inzucht“ im Kunstkauf hinauskommt in internationale Ankaufsbereiche. Ein gordischer Knoten also!
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