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Ein Leben für Bücher

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Freunde der österreichischen Nationalbibliothek und Mitarbeiter des Gefeierten haben uns zu seinem 65. Geburtstag zwei prächtige Bände beschert. Sie führen uns durch das Lebenswerk eines der hervorragendsten Bibliothekare unserer Zeit und zeigen uns die Kraft, die von seiner alle Grenzen überwindenden Arbeit ausgeht: Bei den Vereinten Nationen, deren große New Yorker Bibliothek Stummvoll aufgebaut hat, an der UNESCO, in deren Auftrag er wichtige Aufgaben, darunter eine Mission im Iran übernahm, im Internationalen Bibliotheksverband, der ihm so manche wichtige Anregung verdankt — dann noch vorher in Leipzig und später in der Türkei, wo er eine große Spezialbibliothek einzurichten berufen wurde. Wenn wir dieses farbenreiche, internationale Bild betrachten, können wir stolz darauf sein, daß diese bedeutende, in der ganzen Welt gefeierte Persönlichkeit ein Österreicher ist!

Uns interessieren daher auch in den monumentalen Bänden besonders die Abschnitte, die ihm als dem gewesenen Generaldirektor unserer Nationalbibliothek gewidmet sind — 20 Jahre schwieriger, aber erfolgreicher Arbeit, in denen er durch die Lösung des Raumproblems und der

Herstellung eines mustergültigen Katalogs der alten Bestände, diese ehrwürdige Institution den Erfordernissen einer neuen Zeit angepaßt hat. Jene Beiträge sind ein großartiger Führer, der zeigt, wie sich deren Stellung als eine der großen Weltbibliotheken entwickelt. Viel Neues wird hier von berufensten Fachleuten zum erstenmal bekannt gemacht, so etwa, wenn Dr. Smail Balič über den Orient im österreichischen Schicksal und über die Orientforschung an der Bibliothek schreibt, oder Dr. Maria Razumosky über die tschechische Publizistik vor dem ersten Weltkrieg, dann Professor Hafner über unsere südslawischen Rama und Rarissima. Andere Beiträge zeigen die Vielfalt dessen, was ein guter Bibliothekar der Welt geben kann, so etwa Dr. Albert Massiczek über Bildungserfolg, Kognitive Ordnung und Menschenbild. — Und wenn auch der Unterzeichnete in diesem Band eine Studie über die Bibliothek im Rahmen internationaler Organisationen gebracht hat, so geschah dies nicht nur, um seinen alten Freund und Kollegen Stummvoll zu ehren, sondern auch in der Hoffnung, daß vielleicht einige dieser Anregungen mithelfen könnten, noch recht schwierige Fragen zu klären.

Wenn wir die von Stummvoll seinen Vorgänger Prof. Dr. Josef Bick 1948 dargebrachte Festschrift mit den beiden uns jetzt vorliegenden Bänden vergleichen, so sehen wir den erfolgreichen Weg, den unsere Nationalbibliothek im knappen jüngsten Vierteljahrhundert gegangen ist. Diesen zu verkünden geht vorliegendes österreichische Magnum Opus in die Welt, um Ost und West vor Augen zu führen, was alles unsere Palatina, weithin ausgeweitet, zu bieten vermag: Dank der selbstlosen und klugen Arbeitsfreudigkeit unserer Bibliothekare, von denen Stummvoll -einer der ganz Großen ist

FESTSCHRIFT JOSEF STUMMVOLL. Herausgegeben von Josef Mayerhöf er und Walter Ritzer, unter Mitarbeit von Maria Razumovsky, Wien 1970, Verlag Hollinek, zwei Bände, 898 Seiten.

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Karl Schwarzenberg

Postdiluvianische Fidibus-Schnitzel

Unsere Zeit erinnert an die alten poetischen Schilderungen der Sünd- flut, wo Fische in Baumwipfeln, Hirsche in Meereswogen herumschwimmen; und jeder ist dort, wo man einen anderen vermuten sollte. Vor etwa 35 Jahren habe ich Vorbereitungen zu einer Verwertung des Nachlasses unternommen, den der „Lanzknecht“, Fürst Friedrich Schwarzenberg, in Worlik hinterlassen hat. Geschrieben hat eine solche Arbeit jetzt ein Bochumer Dissertant; denn_ ihm, ihm war es leicht mein im Archiv Wittingau erliegendes Archiv zu benützen. Noch habe ich nichts über Bochum geschrieben; aber wer weiß?

Dr. Belke hat freilich sein Thema ausdrücklich eingeschränkt; es heißt „Friedrich Fürst zu Schwarzenberg als Schriftsteller“ und will somit nicht die komplette Lebensgeschichte des Dargestellten sein. Das ist gewiß schade: Interessantes über die Beziehungen des Lanzknechts zu Gesinnungsgenossen in Böhmen, in der Monarchie, im Ausland wird nur angedeutet. Doch ist es eines Autors gutes Recht, sein Thema zu bestimmen, und Belke hat auch biographisch mit deutscher Gründlichkeit viele und wichtige Einzelheiten erarbeitet. Und so liegt denn vor uns ein brauchbarer Beitrag zur Ideengeschichte des legitimistischen Adels im 19. Jahrhundert. Manches findet man beim Lanzknecht deutlicher gesagt als anderswo. Wenn er im Jahr 1847 — avant la lettre, vor dem Sturmjahr — feststellt, daß er sich „sei es als Ungar, oder als Czech“ nicht als Deutscher betrachtet, so ist da besonders offenherzig die Neigung ausgesprochen, daß der Grundherr mit dem Volk gehen muß — natürlich gerade im Geiste der deutschen Romantik, wenn Sie wollen im Geist von Blut und Boden… (Fürst Friedrich hatte Besitz in Böhmen und im damaligen Ungarn.) Über des Lanzknechts Reime findet Belke nichts Schmeichelhaftes zu sagen; nun, der Lanzknecht selbst gab sich keiner Täuschung über deren Güte hin.

Der Freund der Ideengeschichte wird also dieses Bändchen schätzen, und auch der Liebhaber Schwarzen- bergischer Familiengeschichte wird dem Autor Dank wissen. Eine Einzelheit finden wir unangebracht. Wohl verlangt es sowohl die Höflichkeit gegen die staatliche Verwaltung unserer Archive, als die

Rücksicht auf künftige Forscher, auch den angestammten tschechischen Namen des Schlosses zu nennen, wo diese Archive zu finden sind. Doch ist es sinnlos, den ebenso alten deutschen Namen von Wittingau einfach fallen zu lassen. Würde der Autor etwa auch „Leningrad“ schreiben, wenn er Petersburg meint? Natürlich ja, aber ich will so tun, als ob ich das nicht glaubte (off the record). Sonst wäre kaum etwas gegen seine Arbeit zu erwähnen; höchstens wäre ihm der schmeichelhafte Vorwurf zu machen, daß manches zu kurz ist. Oder täuscht mich hier die Familieneitelkeit, wenn ich meine, daß der Kontrast zwischen dem nur allzuoft liederlichen, aber gutherzigen Lanzknecht und dem direkt staunenswert gewissenlosen Egoisten Püekler hätte noch besser herausgearbeitet werden können? Bemerken wir noch, daß auf die verschiedensten Persönlichkeiten Altösterreichs hier viel Licht fällt, so glauben wir die Arbeit nachdrücklich empfohlen zu haben.

AUTOBIOGRAPHIE UND ZEITKRITIK. Friedrich Fürst zu Schwarzenberg als Schriftsteller. Von Horst Belke. Literatur in der Gesellschaft, Band 3. Bertelsmann-Universitätsverlag, Düsseldorf, 1971. 142 Schilling.

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