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Francos Film-Erbe

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Die einen feiern ihn mit unverschämt lobhudelnden Worten, für die anderen ist sein Schaffen höchst diskussionswürdig. In jedem Fall ist für Aufsehen um den spanischen Regisseur Pedro Almodovar gesorgt. Seit er für „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ (1988) den Europäischen Filmpreis „Felix“ erhalten hat und für den Auslands-Oscar nominiert wurde, gerät der mediale Rummel immer lauter, und die diesjährige „Viennale“ (6. bis 17. März) widmete eine ihrer vielen Retrospektiven dem Gesamtwerk des als Enfant terrible verschrienen Filmemachers. (Weitere Retrospektiven galten Jean Vigo, Jacques Demy, den Brüdern Taviani, Wim Wenders, dem französischen Gang-

sterfilm und der „Glasnost“ im sowjetischen Filmschaffen.)

Almodovar karikiert das (Klein-)Bürgertum, weshalb ihn journalistisches Schablone-Denken „spanischen Faßbinder“ nennt. In kindlichem Übermut überzeichnet Almodövar aber so kraß, daß er als Kritiker unglaubwürdig wird. Der Jux steht im Vordergrund, hinterhältige Späße eines bösen Humors äußern sich meist mittels in die Handlung eingeflochtener Werbespots (Almodövar war Werbetexter), die an Skurrilität kaum zu überbieten sind.

Auch über Geschlechterrollen in der Gesellschaft macht sich der spanische Regisseur lustig und stellt immer Frauen ins Zentrum der Handlung. Die für Almodövar typische, haltlose Übertreibung führt dabei mitunter zu ungewollter Frauenfeindlichkeit.

Daß sich die Ideen des jungen spanischen Kinos nicht in diesen Arbeiten erschöpfen, bewies einą Werkschau von Filmen, die vom Wülen zur Vergangenheitsbewältigung und zur Konfrontation mit Francos Erbe getragen sind. Antonio Merceros „Erwarte mich im Himmel — hatte Franco einen Doppelgänger?“ (1987) gelingt eine humorvolle, hintergründig satirische Annäherung an das Pro-

blem. Es ist die Geschichte eines unbedeutenden Mannes, der wegen seiner Ähnlichkeit mit dem Diktator burleske Abenteuer zu bestehen hat - Abenteuer im Stil von Slapstickkomödien aus der Stummfilmzeit. Auch thematisch ist eine Affinität zu Charlie Chaplins „Der große Diktator“ gegeben.

Ein anderer Schwerpunkt der Viennale wurde mit der aus Graz übernommenen Filmschau „Glasnost im sowjetischen Film- schaff«“ (FURCHE 11/1989) gesetzt. Eine Liberalisierung ist allerdings nicht nur in der UdSSR festzustellen.

So fand sich im Viennale-Programm ein Juwel zeitkritischen Kinos aus Jugoslawien: „Film ohne Titel“ (1988) von Srdjan Kara- novič gestattet einen aufregenden Blick in das Krisengebiet Kosovo. Ein serbischer Arbeiter und ein albanisches Mädchen verlieben sich ineinander, der Herkunft wegen wird ihre Liebesgeschichte zu einem modernen „Romeo und Julia“. Ein Regisseur dreht einen Dokumentarfilm über sie, wird dabei in die Nationalitätenprobleme der Region involviert und muß mit seinen Vorgesetzten um die Realisierung des Projekts kämpfen. „Film ohne Titel“ überzeugt auch formal. Er erzählt auf zwei Ebenen, einer fiktiven (die Geschichte des Regisseurs) und einer dokumentarischen (die Liebe), wobei die letztere in ihrem Stil von Handkamera-Aufnah- men untermauert wird.

Auch ein zweiter jugoslawischer Film, „Das Vermächtnis meines Onkels“ (1988) von Krsto Papic, setzt sich mit Studentenunruhen der fünfziger Jahre auseinander und ist dabei erstaunlich offen. Parteilinie und -treue sind für eine Generation junger Regisseure aus dem Ostblock kein Thema mehr. Ihr sozialistischer Realismus hat nichts mehr mit Propaganda und Agitation zu tun.

Wie alljährlich war auch der österreichische Film vertreten, diesmal durch mehrere Arbeiten verschiedenster Qualität. Große Aufmerksamkeit wurde Berthold Mittermayrs „Eis“, dem Siegerfilm des „Max Ophüls-Preises 1989“ in Saarbrücken, geschenkt. Seine Kunst der Milieuschilderung bleibt — bei aller Kritik an der unlogisch aufgebauten Handlung - von Christian Berger in seinem neuen Film „Hanna Monster, Liebling“ (1988) unerreicht. Seine Schilderung einer Frau, die ein unheimliches Wesen zur Welt bringt und daraufhin an die Nordsee fährt, ist schal und bedeutungslos.

Auf der Suche nach dem idealen Filmtheater hatte die „Viennale“ für eine Woche im Wiener Volkstheater Quartier bezogen. Aber die Besucherzahlen waren denen im Stammhaus Urania identisch und ergaben das Büd gähnender Leere. Ein Fiasko in der Planung.

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