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Führung gesucht!

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Die Demokratie lahmt ohne Führung. Und Führungsschwäche schafft Unsicherheit, nicht nur -aber auch - in der Politik. Doch Führen erfordert klare Vorstellungen von Zielen und Werten.

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Die Demokratie lahmt ohne Führung. Und Führungsschwäche schafft Unsicherheit, nicht nur -aber auch - in der Politik. Doch Führen erfordert klare Vorstellungen von Zielen und Werten.

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Führen heißt, andere Menschen auf Ziele hin zu bewegen. Diese Definition von Führen beinhaltet folglich zwei Schwerpunkte: die Ziele und das Bewegen.

Die Ziele, auf die hingeführt wird, sollten etwas mit Werten zu tun haben. Der Führende muß folglich ein Ziel wertvoll erscheinen lassen. Das darf jedoch nicht auf manipulative Weise, durch Taschenspielertricks geschehen. Ziele sollten wirklich etwas mit Werten zu tun haben, die der Füh-

rende transparent macht. Wird der Geführte von wirklichen Werten angesprochen, so fällt es auch leichter, ihn auf diese Ziele hinzubewegen.

Bekanntlich spielt heute Motivation eine außerordentlich große Rolle. Manche Autoren setzen in der Führungslehre Führen mit Motivieren sogar gleich. Wahrscheinlich ist Motivieren auch deshalb so bedeutsam geworden, weil vom Ziel des Weges zu wenig Attraktivität ausgeht. Je fragwürdiger die Werte sind, die hinter den Zielen stehen, je sinn- und wertloser sie erscheinen, umso weniger Bewegung lösen sie aus.

Dennoch läßt sich Führung nicht allein auf Vermittlung von Sinn und Wert reduzieren. Wir Menschen sind schwache Wesen. Dem willigen Geist erscheinen manche Ziele wertvoll. Dennoch ist das Fleisch schwach.

Um der menschlichen Schwachheit aufzuhelfen, bedarf es der Führung. Das Wort Schwachheit umschließt jedoch nicht nur das Trägheitsmoment des Menschen sowie seine Bequemlichkeit. Wir können wohl nicht bestreiten, daß in jedem von uns ein Quantum Egoismus herrscht. Auch dies macht es schwer, daß wir uns Zielen annähern, die eigentlich erstrebens-

wert sind.

Prinzipiell würden wohl die meisten dem beipflichten, daß Entwicklung sozialer Tugenden eine erstrebenswerte Angelegenheit ist. Leider kommt uns dabei unser Egoismus in die Quere. Also brauchen wir Führer, die uns hier Hilfestellung geben.

So verstandenes Führen hat also nichts mit autoritärem Verhalten zu tun. Die von mir beschriebene Führung steht im Dienst des Geführten, der Gemeinschaft sowie in der Verpflichtung Werten gegenüber. Ich meine, es sei heute dringend an der Zeit, daß wir zu dieser Art von Führung fähig werden. Zur autoritären Führung, zur Form von Machtausübung über Schwache in Gestalt von Führung, zur Interessensicherung durch Führung wollen wir nicht zurück.

Dies darf jedoch nicht heißen, daß Führung deshalb generell abzulehnen wäre. In der Gesellschaft im großen ebenso wie in vielen menschlichen Beziehungen im kleinen geschieht viel zu wenig von der Führung, wie ich sie hier postuliere.

Viele, die durch ihre Aufgabe zur Führung berufen wären, passen sich denjenigen an, die sie eigentlich führen müßten. Der Grund ist Schwäche, Bequemlichkeit, Schielen nach Zustimmung (im politischen Raum nach Wählerstimmen), die sehr verständliche Sehnsucht danach, ge-

liebt zu werden. Wer führt, wird gelegentlich jedoch nicht mehr geliebt, nicht beliebt, bisweilen nur noch geachtet.

Führung geschieht heute sehr oft mittels Führungstechniken. Führungsrollen werden einstudiert. Sehr oft wird der Geführte damit manipuliert. Beides ist unmenschlich: sowohl das Unpersönliche von Führungstechnik, wie die Manipulation.

Demgegenüber ist festzustellen: Führung muß eng an die Persönlichkeit dessen gebunden sein, der führt. In gleicher Weise muß sie auf die Person des Geführten gerichtet sein. Personale Führung gilt es zu praktizieren. In dieser Art von Führung geschieht vieles bereits dadurch, daß von der Persönlichkeit des Führenden eine bestimmte Atmosphäre, eine bestimmte Wirkung ausgeht.

Am wenigsten bewegt das, was man sagt. Besonders heute in einer Zeit der Inflation von Worten. Wesentlich mehr wiegt das, was man tut. Die stärksten Wirkungen gehen jedoch von dem Sein aus: dadurch daß einer so ist, wie er ist.

Eine Persönlichkeit spielt keine — zumindest wenig — Rollen. Eine Persönlichkeit strebt an, daß ihr Verhalten Ausdruck ihrer selbst ist. Im Verhalten ist also die Persönlichkeit anwesend. Ihre Worte sind nicht leer. Sie stellen keine Mittel dar, um irgendein taktisches Ziel zu erreichen. Eine Persönlichkeit meint das, was sie sagt. Von einer Persönlichkeit gehen mobilisierende, initiierende, motivierende Kräfte aus.

Vermutlich als Gegenschlag zur früheren autoritären Führung geschieht heute viel zu wenig Führung. Man läßt den Dingen ihren Lauf, und sehr vieles läuft, wie wir alle sehen, schlecht dabei. Laufenlassen statt Führung, das ist die moderne Haltung.

Der Autor ist Leiter des Stuttgarter Institutes Mensch und Arbeitswelt; Auszug aus dem Referat „Führen durch Persönlichkeit" bei der Pädagogischen Werktagung am 18. Juli in Salzburg.

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