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Gewissenserforschung in Rio

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In diesen Tagen schaut die ganze Welt auf die UN-Umweltkonferenz in Rio de Janeiro. Sie hat mit zwei Schweigeminuten für die Welt von morgen begonnen. Show oder bitterer Ernst?

Zur Verhandlung stehen vor allem eine Klimakonvention, ein Artenschutzabkommen und Maßnahmen zum Schutz des Regenwaldes. Schon im Vorfeld wurden die ursprünglichen Forderungen abgeschwächt.

Wenn auch keine einschneidenden Folgerungen gezogen werden, vielleicht regt sich doch wenigstens bei manchen das Gewissen. Es geht nicht mehr um marginale Änderungen, es braucht ein radikales Umdenken.

Die Kluft zwischen arm und reich wird drohend größer. Das Wirtschaftswachstum wird als ehernes Gesetz verteidigt. Wachsender Konsum, bis hin zur Verschwendung, scheint dazu notwendig. Der Energieverbrauch steigt ständig. Die Bevölkerung wächst schneller als die Möglichkeiten, sie mit dem Notwendigsten zu versorgen. Wagen Techniker, Wirtschaftler, Politiker wirklich länger als zwei Minuten an die Welt von morgen zu denken?

Der Vatikan ist auf dieser Konferenz ebenfalls vertreten. Es entstand das Gerücht, er wolle die Debatte über das Bevölkerungswachstum unterbinden. Das wurde deutlich dementiert. Ein Arbeitspapier des Vatikans gibt Aufschluß über die Verhandlungsrichtung. Sehr konkret werden Moral und ethische Prinzipien eingemahnt. Der Mensch müsse das Ziel aller Entwicklung sein, die Güter der Erde seien zum Wohle aller da.

Viele Zitate zeigen, wo und wie oft Päpste solches schon zu bedenken gegeben haben. Allein das Problem der Übervölkerung wird unterbewertet. Es ist richtig, daß das Bevölkerungswachstum nicht Grund der Umweltproblematik ist, wie manche fälschlich vorgeben. Aber das Wachstum ist so sprunghaft, daß alle bestehenden Probleme dadurch noch unlösbarer werden.

Die Sozialenzykliken der letzten Jahrzehnte haben erstaunlich konkret Fehlentwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft angeprangert, „Strukturen der Sünde" aufgezeigt. Zum Thema der „Bevölkerungsexplosion" waren aber auch dort die Äußerungen selten. In „Sollicitudo rei socialis" Nummer 25 wird daran „erinnert", aber dann sofort auf das Problem der Geburtenkontrolle übergegangen. In „Centesi-mus annus" Nummer 33 wird das Thema nur unter dem Stichwort „menschenunwürdige Bevölkerungskontrolle" erwähnt und in Nummer 39 von einer „entstellten Auffassung des demographischen Problems" gesprochen.

Ob Rio nicht der Ort wäre, „verantwortete Elternschaft" einmal im Kontext weltweiter Probleme noch deutlicher zu sehen und nachdrücklicher einzumahnen? Nur dann wird man glaubhaft gegen inhumane Staatsmaßnahmen auftreten können.

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