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Kirche und Politik in Polen
In Polen ist AleksanderKwasniewski, ein ehemaliger KP-Minister, zum Präsidenten gewählt worden. Die Postkommunisten haben jetzt die Mehrheit im Parlament und den Präsidentenposten. Diesen Trend kennt man auch aus anderen Reformstaaten im Osten Europas. Nur in Polen spielte dabei auch die Kirche eine politische Rolle.
Die Kirche in Polen war vor der Wende für viele, nicht nur Kirchennahe, die einzig mögliche Gelegenheit politischer Opposition. Lech Walesa ist ganz offen von geistlichen Würdenträgern unterstützt zum
Symbol des Widerstandes geworden. Der Einfluß der Kirche war im Widerstand sehr geschätzt, in der „freien Gesellschaft” hat sie jedoch eine andere Rolle. Viele, besonders junge Leute, fürchten nun zu starken politischen Einfluß der Kirche. Die neue Gesellschaftsordnung könnte zu sehr von ihren Moralvorstellungen geprägt sein, was selbst im überwiegend „katholischen Polen” die Mehrheit nicht will Die Kirche hat diese Angst vermehrt, als sie sich direkt in den Wahlkampf einmischte. Für Walesa wurde mit Gebet und Messen geworben. Einige seiner Gegenkandidaten hingegen wurden kirchlicherseits persönlich angegriffen, gar diffamiert, wie Jacek Kuron durch den kircheneigenen Sender „Radio Maria”. Kuron, wohl Atheist, war Mitkämpfer im Widerstand und hätte für einen verläßlicheren Kurs als Kwasniewski gebürgt.
Trotz des großen Potentials katholischer Intellektueller ist es nicht gelungen, sich in der Parteienlandschaft durchzusetzen. Parteien, die sich auf christliche Werte beriefen, taten dies zum Teil, um früheres Prestige der Kirche zu nützen, aber auch andere konnten offenbar nicht einmal das Vertrauen der vielen praktizierenden Katholiken erwerben und blieben unbedeutend, unter sich uneins. Die Kirche in Polen hat das historische Verdienst, wesentlich zum Sturz des kommunistischen Regimes im Ostblock beigetragen zu haben. Heute erwartet man von ihr zu Recht, modellhaft zu zeigen, welche Rolle die Kirche in einer pluralen Gesellschaft, mitgestaltend, ohne besondere Machtansprüche, zu spielen hat. Den Widerstand zu organisieren scheint aber leichter zu sein, als unter vielen Kräften mitgestaltend überzeugen zu können.
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