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Glückliches Dänemark ?

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In einer Diskussion über das Bundesheer wurde gegenüber Minister Lütgendorf die Meinung vertreten, daß es besser wäre, statt eines Heeres durch Proteste und gewaltlosen Widerstand eine Aggression zu beantworten: so wie Dänemark 1940.

Die Antwort des Ministers lautete: „Glückliches Dänemark.“ Eine Antwort, für die er keine Zustimmung der Teilnehmer erhielt.

In dieser Frage ist allerdings der entscheidende Punkt für das Verhalten eines Kleinstaates bei einer Bedrohung beleuchtet. Kann ein kleiner Staat mit 7 Millionen Einwohnern einer starken Macht Widerstand leisten oder ist es vom Standpunkt der Bevölkerung besser, die Waffen zu strecken und sich dem Schicksal einer Besetzung zu ergeben?

Nun, die Geschichte zeigt uns beide Möglichkeiten. Dänemark im Jahre 1940 stand vor der Frage, Widerstand gegen einen deutschen Einmarsch oder Kapitulation? Es hat tatsächlich die zweite Lösung, vielleicht mit Recht, getroffen. Eine Hilfe von außen war nicht zu erwarten; die Engländer waren nicht in der Lage, in Dänemark zu landen und Hilfe zu bringen, und es stand eine schwache dänische Wehrmacht mit einem völlig veralteten Wehrkonzept einer modernen und brutalen Armee gegenüber.

Ein Guerillakrieg, den einige dänische Patrioten in den späteren Jahren (zwar nicht sehr kraftvoll, aber doch) versuchten, hatte keine Aussicht, eine Entscheidung zugunsten des besetzten Landes zu bringen. Es waren

Nadelstiche, die Dänemark mehr kosteten als brachten.

Und wenn heute die Dänen frei sind, verdanken sie es ausschließlich dem Sieg der Alliierten.

In Österreich ist 1972 aber die Lage doch völlig anders. Wir grenzen an zwei Machtblöcke und keiner würde dem andern die Besetzung unserer Heimat erlauben. Weder der Osten und auch nicht der Westen würde dem Einmarsch tatenlos zusehen. Ein Wettlauf in Österreich wäre die Folge, ein Wettlauf über unsere Köpfe...

Anders ist freilich die Situation, wenn Österreich nachdrücklich zeigt, daß jeder, besonders der Erst-Okkupant mit unserem echten Widerstand zu rechnen hat. Für diese Periode aber sind wir stark genug und auch ohne Atomwaffen und starke Luftstreitkräfte chancenreich. Ein rasch verfügbares, gut ausgebildetes und maßvoll ausgerüstestes Heer kann diese primäre Aufgabe lösen.

Auch in Dänemark haben sich heute die Verhältnisse gewandelt. Der Ostblock und die NATO sind an den Ostseeausgängen so interessiert, daß Dänemark nicht mehr eine neutrale Haltung einnehmen kann, sondern als Teil der NATO gewillt ist, sein Land zu verteidigen und mit seinen Verbündeten einer Bedrohung von Osten die Stirne zu bieten.

Also 1972 kein glückliches Dänemark? Ein Volk und ein Staat, der die geopolitische Lage und die Machtverhältnisse richtig beurteilt, ist auch bereit, sein Land zu verteidigen.

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