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Hoffnung für Europa
„Familie - Hoffnung für die Zukunft Europas“ steht als Motto über dem Europäischen Familienkongreß, der Ende Oktober in Wien stattfinden wird. Wie aber kann die Familie Hoffnung für Europa sein? Für dieses Europa mit seinen schweren Problemen, diesen Kontinent, der in einer neu sich abzeichnenden Weltordnung nach einem Standort sucht? Manch flüchtiger Beobachter wird vielleicht meinen, die Familie stecke doch heutzutage überall in der europäischen Industriegesellschaft in einer tiefen Krise. Wie könnte man dann erwarten, daß die Familie zur
Hoffnung für ein müde gewordenes Europa wird?
Tatsächlich ist die Familie heute nicht mehr außer Streit. Es gibt ideologische Strömungen, die sich alles Heil von der Uberwindung und Zerstörung der Familie erwarten und diese Uberzeugung auch entsprechend propagieren. Abgesehen davon ist das Leben der Familien unter den Bedingungen der Wohlstands- und Industriegesellschaft, die den Menschen in erster Linie nach seiner Rolle im Kreislauf des Produzierens und Konsumierens beurteilt, härter geworden, vielfachen negativen Einflüssen
und Belastungen ausgesetzt. Es gibt steigende Scheidungs- und sinkende Geburtenzahlen, es gibt viel Leid, das in zerstörten Familien seinen Ursprung hat.
Aber das ist nur ein Aspekt der Familienwirklichkeit in Europa. Mitunter gerät über diesem Teü-aspekt in Vergessenheit, daß es in ganz Europa, im Süden und im Norden, im Osten und im Westen, Millionen von Famüien gibt, die sich bemühen, ihren Mitgliedern wirklich jene bergende Hülle der Mitmenschlichkeit zu geben, ohne die der Mensch auf die Dauer nicht leben kann. Gewiß gibt es auch in diesen „intakten“ Famüien Probleme, Konflikte und Schwierigkeiten, diese Familien leben nicht auf „glücklichen Inseln“. Aber in diesen Famüien wird versucht, die Konflikte im Geist der gegenseitigen Zuneigung ernst zu nehmen und zu lösen, das Verhältnis von Mann und Frau, von Eltern und Kindern wird als Partnerschaft empfunden und nicht als erbarmungsloser Kampf von erbitterten Gegnern.
In diesen Millionen und Abermü-lionen von Famüien können jene echten menschlichen Werte wie Ehrfurcht vor dem anderen, Zuneigung, Toleranz, Verzichten-können eingeübt und in die Praxis umgesetzt werden, ohne die es keine Hoffnung auf eine menschenfreundliche Zukunft Europas gibt. Diese Famüien sind Zeichen der Hoffnung, daß die tiefe Krise der Wohlstands- und Uberflußgesellschaft, die trotz aller materiellen Erfolge kein echtes Wohlbefinden erreicht hat, nicht ausweglos ist. Angesichts der heute herrschenden Verwirrung der Ideen könnte vielleicht gerade von diesen Famüien ein „Genesungsprozeß der Gesellschaft“ ausgehen. Es gibt heute viele junge Menschen, die sich von überkommenen wirtschaftlichen Ordnungen und Lebensgewohnheiten loslösen, um aus der Uberfluß geseUschaft herauszukommen und nach einem einfacheren Leben streben, denen das Sein mehr bedeutet als das Haben.
In diesem Sinn hoffe ich, daß der Europäische Familienkongreß in Wien dazu beitragen kann, die entscheidende Bedeutung der Famüie für ein freies und glückliches Europa von morgen stärker ins Bewußtsein zu rufen.
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