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Im Netzwerk des Terrorismus

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Die französische Öffentlichkeit ist in jüngster Zeit durch eine beunruhigende Terrorwelle aufgeschreckt worden. Die Regierung ist schweren Vorwürfen ausgesetzt, wird von ihr doch in erster Linie und unter allen Umständen die Bewahrung der Sicherheit des Landes erwartet und auch verlangt.

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Die französische Öffentlichkeit ist in jüngster Zeit durch eine beunruhigende Terrorwelle aufgeschreckt worden. Die Regierung ist schweren Vorwürfen ausgesetzt, wird von ihr doch in erster Linie und unter allen Umständen die Bewahrung der Sicherheit des Landes erwartet und auch verlangt.

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Todesopfer forderten eine Bombe im Schnellzug Paris-Toulouse und eine ungewöhnlich starke Sprengstoff ladung, die unweit der Champs-Elysees explodierte. Ferner wurden in kurzem Abstand ein amerikanischer Militärattache und ein israelischer Diplomat ermordet. .

Nicht ohne Berechtigung spricht jetzt die Opposition von einer Minderung der Aktionsfähigkeit der Polizei durch die liberalen Vorstellungen des Justizministers über die Strafjustiz. Sie führten sogar zu einem Konflikt innerhalb der Regierung, weil der Innenminister öffentlich die Rückkehr zu den alten Methoden, mit einer Verschärfung der Identitätskontrolle forderte und dem Recht für die Polizei, leichter, als bisher zulässig, von der Schußwaffe Gebrauch zu machen.

Eine unmittelbare Begünstigung der terroristischen Umtriebe war ferner das offizielle Bekenntnis zu einem großzügigen Asylrecht. Seit dem Amtsantritt Francois Mitterrands wurden keine Terroristen mehr ausgeliefert, sondern nach einer Verhaftung durch die Polizei entweder wieder freigelassen oder bevorzugt nach Nahost abgeschoben.

Keiner der Täter der jüngsten Attentate konnte bisher ausfindig gemacht werden. Immerhin gibt es einige aufschlußreiche Anhaltspunkte. Im März verhaftete die Polizei zwei Personen. Es handelte sich um einen als neonazistisch bekannten Schweizer und um eine linksextremistische Deutsche.

Einige Tage später sandte der berüchtigte internationale Terroristenchef Carlos dem Innenminister ein Ultimatum, um die Freilassung dieser beiden als seine Freunde bezeichneten Terroristen zu fordern. Sonst werde er sich in Frankreich, wie bereits in ”der Vergangenheit, mit blutigen Terrorakten bemerkbar machen.

Die Sprengstoffladung explodierte in der Nähe der Champs-Elysees am Tage des Strafprozesses gegen die beiden Terroristen.

Carlos ist aber nicht allein im Spiel. Es besteht große Wahrscheinlichkeit, daß für die Ermordung des französischen Botschafters im Libanon im September letzten Jahres der syrische Geheimdienst verantwortlich war. Ferner befand sich das Auto mit der Sprengstoffladung vor der Redaktion eines in Paris erscheinenden proarabischen und antisyrischen Wochenblattes, dem der inzwischen, ausgewiesene syrische Kulturattache bereits eine rechtzeitig entschärfte Bombe ins Haus geliefert hatte.

Festgestellt werden konnte schließlich, daß der Amerikaner und der Israeli mit dem gleichen Revolver tschechoslowakischen Ursprungs ermordet wurde, der wiederholt verwendete Sprengstoff aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls aus dem europäischen Osten kommt.

Man kommt so nicht um die Erkenntnis herum, daß über die Ideologien hinweg alle Extremisten miteinander verflochten sind, sie ebenso restlos mit nahöstlichen Kräften, vorwiegend Palästinensern, in enger Verbindung stehen und ihre Versorgung mit Material zu einem guten Teil durch den Osten erfolgt.

Es ist immerhin bemerkenswert, daß der sozialistische Innenminister Defferre offiziell die Sowjetunion als möglichen Drahtzieher nannte, weil sie mit der Politik der jetzigen französischen Regierung nicht einverstanden sei und infolgedessen Interesse an einer Destabilisierung des Landes habe.

Es bleibt nun abzuwarten, ob Frankreich alle notwendigen Folgerungen aus diesen Gegebenheiten zieht. Offensichtlich mit Zustimmung des Staatspräsidenten kündigte jedenfalls der Innenminister dem Terrorismus einen rücksichtslosen Kampf an.

Der Innenminister muß aber weiterhin mit dem eigenartigen Verständnis des Justizministers für terroristische Umtriebe rechnen. Es besteht aber doch gute Aussicht, daß sich Frankreich wieder an der gemeinsamen europäischen Aktion gegen den Terror beteiligt.

Es wäre allerdings seitens der Pariser Regierung eine Illusion, anzunehmen, sie könnte die erforderlichen Erfolge erzielen, wenn sie weiterhin die Auslieferung international gesuchter Terroristen verweigert und das politische Asylrecht auf mit politischer Maske tätige kriminelle Elemente ausdehnt.

Daneben wäre es naiv, zu behaupten, daß die extremistischen Palästinenser und der syrische Geheimdienst, Frankreich mit Terrorakten bestraft, weil seine Politik zu proisraelisch geworden ist. Man darf die Werkzeuge nicht mit den Auftraggebern verwechseln. Sie haben Frankreich als Zielscheibe gewählt, weil es in den letzten Monaten zu einem weit weniger gefährlichen Gelände geworden ist als die Bundesrepublik Deutschland oder Italien.

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