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Jugenderinnerungen eines berühmten Mannes

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Die Deutsche Verlagsanstalt in Stuttgart, einer der bedeutendsten Verlage Mitteleuropas, der vor kurzem sein 125jähriges Bestandsjubiläum feierte, gab aus diesem Anlaß, zum Unterschied von anderen Unternehmungen, nicht eine Verlagsgeschichte heraus, sondern legte zwei Erstlingswerke eines ihrer Erfolgsautoren neu auf. Dieser Erfolgsautor ist Klaus Mehnert, einer der besten

Kenner Amerikas, Rußlands und Asiens. Bekannt sind seine Bücher „China nach dem Sturm“, „Peking und die neue Linke“, „Peking und Moskau“ und „Der Sowjetmensch“. Klaus Mehnert, zu Beginn des Jahrhunderts in Rußland als Kind deutscher Eltern geboren, perfekter Kenner der russischen Sprache, verbrachte 1928 ein Jahr als Austauschstudent in Kalifornien und 1930 ein Jahr unter russischen Studenten in Moskau. 1930 und 1932 gab er über diese beiden Jahre jeweils Berichte heraus, die in der Deutschen Verlagsanstalt erschienen sind und die nun dieser Verlag gesammelt als Jubiläumsgabe neu auflegte. Klaus Mehnert, der bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges mit seinen Eltern nach Deutschland zurückkehrte, war in seiner Jugend zutiefst beeindruckt von der deutschen Niederlage des Jahres 1918. Wie so viele Mitglieder seines Jahrganges war auch er ein begeisterter Nationalist. Aber dank den Erlebnissen in Amerika und Rußland lernte er frühzeitig die Bedeutung großer Räume kennen, was ihn hinderte, ein Parteigänger Hitlers zu werden. 1934 verließ er sogar Deutschland, um in Rußland, in den Vereinigten Staaten, schließlich in China zu leben und erst 1946, nach dem Sturz Hitlers wieder nach Deutschland zurückzukehren.

Als Mehnert 1928 in Amerika und 1930 in Rußland weilte, war Deutschland noch immer geschockt von der Niederjage des Ersten Weltkrieges, Die deutsche Jugend suchte nach einem Ausweg aus den Tiefen dieser Niederlage. In den Vereinigten Staaten, wie auch in Rußland, traf Mehnert nur auf eine Jugend, die voller Hoffnung und Zuversicht für ihre persönliche Zukunft und für die Zukunft ihrer Länder war. Er traf eine Jugend, die weder feudal noch halbfeudal dachte, sondern im tiefsten demokratisch war. Er traf auf eine Jugend, die nicht lethargisch, sondern enorm fleißig war, die nicht zurückblickte, sondern nur nach vorn. Er fand eine Jugend, die bereit war, viele Opfer zu bringen. Sowohl die USA wie Rußland erschienen Mehnert damals als eine Art Paradies. Natürlich hat sich seither in diesen Ländern vieles geändert, vieles hat Mehnert zu rosig gesehen. Die Jugend, die nicht lethargisch, sondern zusammentraf, ist heute die tragende Stütze der Gesellschaft beider Länder. Sie, diese so revolutionäre Jugend, hat sich aber inzwischen etabliert, gegen sie tritt eine neue Jugend auf. Es ist ein ewiger Prozeß, der nur natürlich ist. Aber interessant ist es, die Jugendeindrücke eines der berühmtesten Autoren Europas zu lesen, der heute selbst weiß, daß viele seiner Hoffnungen sich nicht erfüllten und der sich dennoch nicht scheut, seine damaligen Eindrücke erneut der Öffentlichkeit vorzulegen. Darüber hinaus hat die Deutsche Verlagsanstalt mit dieser Jubiläumsausgabe neue, außergewöhnliche Schritte getan, um ein Fest zu feiern.

AMERIKANISCHE UND RUSSISCHE JUGEND UM 1930. Von Klaus Mehnert, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart.

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