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Ein Leben mit Paris

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Fast ungläubig vernimmt der Leser des Buches „Unsere schönsten Jahre — Ein Leben in Paris“ von Friedrich Sieburg, das soeben in Neuauflage herauskommt, daß der Verfasser im Mai 1973 80 Jahre alt geworden wäre. 1964 hat ein Herzschlag dem Leben dieses berühmten europäischen Journalisten ein zu frühes Ende bereitet. 1929 hatte die Welt zum ersten Male Kunde von seinem Namen erhalten. Damals erschien sein berühmtes Buch „Gott in Frankreich“. Ein Versuch, den Deutschen Frankreich verständlich zu machen. 1929 zeigten sich die ersten kleinen Blüten einer Verständigung zwischen beiden Völkern. Die Saat der zähen Politik eines Stresemann und seines genialen französischen

Partners Aristide Briand, des großen Förderers des Pan-Europäers Coudenhove-Kalergi, begann aufzugehen. Es waren sehr zarte Blüten, die diese Verständigung trieb, denn noch immer standen beide Völker, durch das Erlebnis des Krieges zutiefst erschreckt und mißtrauisch, einander gegenüber. Millionen von Deutschen sahen in den Franzosen noch immer den Erbfeind, der durch den Frieden von Versailles Deutschland endgültig zu knechten trachtete. Millionen von Franzosen dagegen betrachteten mit Mißtrauen und Furcht diese Deutschen, von denen sie annahmen, daß auch der härteste Friede sie nicht zugrunderichten könne. Und Frankreich deshalb immer auf der Hut vor ihrem Land sein müsse. Durch die Maginot-

linie, die wie eine chinesische Mauer Frankreich umgab, und durch eine riesige Armee, sowie durch ein riesiges Bündnissystem wollte sich Frankreich für einige Zeit wenigstens vor Deutschland schützen. Es war alles vergebens. Mit dem Aufkommen Hitlers zerbröckelte langsam das Bündnissystem, die deutsche Armee rüstete stärker auf als die französische und die Maginot-Linie erwies sich als wertlos. Die zarten Pflanzen einer Verständnispolitik zwischen Briand und Stresemann waren bald unter den Stiefeln der Soldaten zertreten. In dem kurzen Augenblick, da sich eine Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich anbahnte, erschien das Buch von Friedrich Sieburg „Gott in Frankreich“ und war eine wertvolle Schützenhilfe für diese Verständigungspolitik. Wer dieses Buch als Deutscher las, konnte Frankreich tatsächlich verstehen. Es war eigentlich ein französisches Buch, geschrieben in deutscher Sprache, mit geradezu unnachahmlichen Formulierungen. (Eine sei hier erwähnt: .....Da ich nicht weiß, was

besser ist, ein unerschöpflicher Vorrat an Weißbrot und Rotwein oder ein vollkommenes System von Sozialfürsorge“.) Friedrich Sieburg war 36 Jahre alt, als dieses Buch erschien, und Korrespondent der „Frankfurter Zeitung“ in Paris. Im Krieg hatte er als deutscher Kampfflieger gegen Frankreich gekämpft. Er liebte dieses Land fast ebenso wie Deutschland und schmerzlich ist es, seine Versuche zu sehen, durch seine Artikel in der „Frankfurter“ wie auch in seinen Büchern Frankreich den Deutschen näher zu bringen. Denn er schrieb außer „Gott in Frankreich“ dann noch viele andere Bücher zur Geschichte Frankreichs und zur Geschichte seiner Persönlichkeiten. Als er 1940 bei Ausbruch des Krieges Paris verließ, muß dies für ihn ein schrecklicher Augenblick gewesen sein. Im Krieg selbst spielte er scheinbar nicht immer eine ganz glückliche Rolle, aber nach dem Krieg schon wieder setzte er seine Vermittlertätigkeit als Journalist und Schriftsteller zwischen beiden Ländern fort. Der vorliegende Band ist ein nobles Denkmal, das der Verlag diesem großen Stilisten und Journalisten setzt und mit Genuß wird jeder durch die Worte des Autors Paris und Frankreich erleben.

UNSERE SCHÖNSTEN JAHRE — EIN LEBEN IN PARIS. Von Friedrich Sieburg. Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart. Leinen, 331 Seiten.

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