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„Kaiserfest“ und mehr noch als Nostalgie

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Nostalgie ist meist nur in der Politik ein negativer Begriff. Übrigens kann Nostalgie Mode machen und auch ein gutes Geschäft sein. In der Politik weisen die Betroffenen den verächtlichen Sinn des Begriffes mit der poetischen Präzisierung: „Ja, gewiß, aber eigentlich Nostalgie nach der Zukunft“ zurück. Andere zeigen nicht die geringsten Sorgen darüber, ob ihre Sprache nach gängigen Begriffen aktuell und verständlich ist. Wie beispielsweise jene Furlaner, die ihre/ föderalistischen Vorstellungen aus einer idealisierten mitteleuropäischen Kultur schöpfen, die sich ihnen im großväterlichen Antlitz Kaiser Franz Josephs mythologisiert.

Die Werbung für das zweite Volksfest zur Erinnerung an den einstigen kaiserlichen Geburtstag, in Giassico bei Cormöns, war heuer groß. In bezahlten Aufrufen luden der regionale Rundfunk und die unzähligen Privatsender die Zuhörer zum „Kaiserfest“ ein. Die im übrigen Italien ignorierte CivjRä. Mitteleuropea genießt jedoch auch-Sympathien, wenn nicht sogar Unterstützung von verschiedenen Kreisen in Österreich. Nachdem diese Bewegung Schlagzeilen gemacht hatte, fragte man sich hier, ob sie denn auch wirklich ernst zu nehmen sei. Man sollte, wie immer, zwischen der ehrlichen Begeisterung der Mitglieder und den Zielsetzungen der leitenden Herren unterscheiden. Ein Bündnis mit den furlanischen Autonomisten und die triste allgemeine Lage Triests, die das Osimo-Abkommen verschärft hat, die schleppende Improvisationskunst der italienischen Behörden angesichts ihrer enormen Aufgaben im Erdbebengebiet, boten genug Stoff, um der Bewegung für mitteleuropäische Kultur auch politische Ziele zu liefern. Damit ging aber auch ihre kulturelle Uberparteilichkeit in Brüche, da die KPI und die italienischen Sozialisten Pre Checo Placereani nicht sehr leiden mögen. Der erste Präsident der Bewegung, Sergio Macor aus Brazza- no, ein Sozialist, der für die kulturelle Uberparteilichkeit der Bewegung Gewähr leisten wollte, ist bereits zurückgetreten.

Civiltä Mitteleuropea ist nun vier Jahre alt und vielleicht wird sie in den nächsten Monaten bei den administrativen fahlen etliche Stimmen, ercįp- gen, wie die Hunderte von Autoklebern mit Doppeladler und die Tausende von Besuchern des „Kaiserfestes“ zu versprechen scheinen.

Aus österreichischer Sicht wäre bei all dem zu bedenken, daß in Italien historische (lies: ideologische) Kom promisse getroffen werden. Nicht nur Franz-Joseph-Feste werden gefeiert. In Cormöns gibt es während des ganzen Sommers Volksfeste. Entweder sind die Kommunisten mit ihrer „Festa dell’Unitä“ dran oder die Sozialisten mit ihrer „Festa dell’Avanti“, oder es sind die Blutspender, die Christdemokraten mit ihrer „Festa dell’Amicizia“, und da sind auch die verschiedenen Weinfeste der einzelnen Zonen. Bei all diesen Feiern unterschiedlicher politischer Farbe sieht man immer dieselben Gesichter.

Die Demokratie ist ein schönes Spiel, besonders für die Gewinner; sie bietet aber den Verlierern, den Minderheiten, den Andersdenkenden, ge-’ ringe Chancen, ihre Vorstellungen durchzusetzen. Der einzige Weg, sich zu behaupten, ist dann jener der Provokation, des Terrorismus, schlimmstenfalls der Guerrilla Franz Joseph in Friaul ist in anderem Sinne eine Provokation. Ein Ausdruck des Wunsches ną$i gleichbereęhįtigtępi usenjmene Völker,.aller Minderheiten*

wie dies zur Zeit Franz Josephs Programm des Vielvölker reiches war, ein Programm, dem sich die steigende Welle des Nationalismus erfolgreich und zum Schaden aller widersetzt hat.

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