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Kanon der Grundwerte seit 2000 Jahren bekannt...

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Im Zeichen der Rückbesinnung auf die „alten Grundwerte“ stand kürzlich eine recht bemerkenswerte Ideologie-Veranstaltung des oberösterreichischen Akademikerbundes in Altmünster. Der Innsbrucker Wirtschaftstheoretiker Professor Frank Münnich entzog in seinem Vortrag allen Zweifeln, ob es überhaupt eine bürgerliche Ideologie gebe und welche Wertvorstellungen sie besetzen und behaupten könne, den Boden: „Im christlich-abendländischen Raum ist der Kanon der Grundwerte seit 2000 Jahren bekannt“.

Seit fast 2000 Jahren wissen wir, daß es um Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität geht. Neue Grundwerte erfinden zu wollen, wäre ein sinnloses Unterfangen. Ebenso illusionistisch wäre es, über ein gesellschaftliches Minimum hinaus einen Konsens im Grundwertverständnis anzunehmen. In den Wertvorstellungen gibt es keinen Fortschritt, so Münnich, doch hätten die Menschen im Laufe der menschlichen Entwicklung eine größere Sensibilität gegenüber den Wertvorstellungen entwickelt. Gerade deshalb sind die Grundwertinterpretationen strittiger denn je, ist eine Grundwertdiskussion besonders heute unerläßlich.

Stehen die abstrakten Begriffe auch außer Streit, so werden doch, sobald man beginnt, sie zu entwik- keln und operationale Anweisungen zu formulieren, unleugbare Gegensätze, vor allem zwischen einem „bürgerlichen“ und einem „sozialdemokratischen“ Programm offenbar. Dazu kommt, daß Grundwerte immer die Funktion hatten, Herrschaft zu legitimieren. Die Berufung der Mächtigen auf die Grundwerte macht sie wie die Macht selbst miß- brauchbar - und sie werden auch mißbraucht.

Der Sozialismus sieht in der Gleichheit ein Instrument, meinte

Münnich: Die Gleichheit der Startchancen soll zur Gleichheit im Ergebnisfuhren, das sei aber eine anthropologische Mißinterpretation des Menschen. Daher fordere der Sozialismus eine Übergleichheit, also die Bestrafung derjenigen, die einen besseren Sozialisationsprozeß in ihrer Kindheit erlebten, also eine Erbschaftssteuer für höhere Intelligenz. Alle Versuche einer gleichen Schule für alle haben freilich nicp.t gleiche Resultate, sondern nur noch mehr soziale Spannungen erzeugt.

Zur Frage Selbstbesimmung-Mit- bestimmung meinte Münnich: Unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht jedes Beteiligten werde die Demokratisierung aller Entscheidungsbereiche gefordert, unabhängig davon, ob es sich um technologische Fragen mit sachlich vorbestimmten Lösungen oder um Wertungsprobleme handle. Nur über letztere seien demokratische Abstimmungen sinnvoll.

Zur Sozialen Sicherheit sagte der Wirtschaftstheoretiker, sie habe sich im gefälligkeitsdemokratischen Wettbewerb der Parteien um jede Stimme zu einem „pessimalen“, weil kaum mehr steuerbaren System fehlentwickelt. Wenn die Gesellschaft heute über 42 Prozent der Verwendung- des Bruttosozialprodukts bestimme, so bestimme sie über mehr als nur die Wechselfälle des Lebens. Der Weg gehe eindeutig hin zur Volkspension, die nur mehr die Basisbedürfnisse decke. Alles andere sei bald nicht mehr finanzierbar. Das bedeutet aber, daß eine Kurskorrektur wieder hin zu mehr Eigenversorgung unerläßlich sei. Abschließend mahnte Münnich, im Spannungsverhältnis der Grundwerte wieder den Begriff der Verantwortung als verbindenden Wert zu erkennen und danach das gemeinsame Leben zu gestalten.

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