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Karriere der Wäscherin

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Revolutionen ermöglichen rasante Aufstiege. Das war zu allen Zeiten so, in unserem Jahrhundert wie in der Napoleonischen Ära, in der die 85 Jahre alte Komödie „Madame Sans-Gene“ von Victorien Sardou und Emile Moreau spielt, die das Volkstheater wieder herausbringt. Solch ein Aufstieg interessiert, gar wenn es sich um eine Frau handelt. Die Wäscherin Catherine Hübscher, die auch zeitweilig Marketenderin war, wird Herzogin.

Es ist reizvoll, die Mächtigen dieser Erde in ihren Anfangen zu sehen, hier Fouche und auch Napoleon, die bei Catherine ihre Wäsche abholen und der Gutherzigen das Geld schuldig bleiben. Sie ist aber nicht nur gutherzig, sie ist treu in der Liebe zu ihrem Sergeanten Lefebre, der Maschall und Herzog wird, und er hebt sie ebenso. Was die aus früherer Zeit übernommenen Schranzen am Napoleonischen Hof als Schande bezeichnen. Heute wagen unsere Autoren kaum noch positive Charaktere und gar unverbrüchliche Liebe darzustellen, so ist die Welt voll des Unguten.

Sardou wurde vor allem als Meister der pieces bien faites, der gutgemachten Stücke geschätzt. Er konnte doch' mehr, das zeigt sich hier, im Verein mit dem Schreibkompagnon Moreau. Catherine bleibt auch am Hof das Geschöpf aus dem Volk, verleugnet in nichts ihre Herkunft und Wesensart, erregt damit das Mißfallen Napoleons. Die Szene, in der ihr der Kaiser befiehlt, sich scheiden zu lassen und sie ihn herumkriegt, daß er davon Abstand nimmt, ist mit eine der besten der Theaterliteratur. Da spürt man Menschlichkeit, in ihr, in ihm, da triumphiert Cathennes weibliche Schlagfertigkeit, das ist packendes Theater, frei von äußerlichen Effekten.

Die Komödie wurde in der Bearbeitung von Hans Weigel vor 41 Jahren erstmals aufgeführt. Mit der eingängigen melodiösen und rhythmischen Musik von Bernhard Grun war das nicht nur eine „Komödie mit Musik“, sondern bereits vorweg ein „Musical“. Weigel hat sich in den eingefügten vielen Gesangstexten an grundgescheitem, vorzüglich zugeschliffenem Witz selbst überboten. Die Angriffe sitzen. Vielleicht darf man ihm auch die großartige Überspitzung der Figur des Fouche zuschreiben. Das Gewissenlose im bedenkenlosen politischen Spiel dieses Pohzeiministers wird sarkastisch bloßgelegt.

Regisseur Vaclav Hudecek führt die Vorgänge in flottem Tempo unbe-

schwert vor. Die Bühnenbilder baut Zbynek Kolar ansteigend hinter drei hellen Bühnenrahmen auf, deren gelbe Vorhänge sich immer wieder öffnen. Dolores Schmidinger gibt der Catherine Temperament, das gewinnend Ursprüngliche und Herzliche. Als Lefebre hat Manfred Jaksch überlegene Munterkeit und Kraft. Nicht jeder kann einen Napoleon darstellen, Herbert Propst gewinnt sich durchaus napoleonische Züge ab. Den Fouche spielt Heinz Petters tänzerisch beweglich, mit verschlagenem Lächeln. Dem österreichischen Grafen Neipperg verleiht Ernst Cohen ruhige Haltung. Eingeleitet werden die Akte durch Pantomimen auf einem Schaubudenwagen mit Wolfgang Dauscha als Sänger. Die Kostüme entwarf Maxi Tschunko, die musikalische Einrichtung und Leitung besorgte Norbert Pawlicki in bewährter Weise, Herbert Nitsch betreute die Choreographie.

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