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Kontroverse um den Elternurlaub

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Über drei Vorlagen haben die Eidgenossen am 2. Dezember zu entscheiden. Umstritten ist nur eine davon: eine von linker und feministischer Seite eingebrachte Initiative zum „Schutz der fylutterschaft" und der darin vorgesehene Elternurlaub von mindestens neun Monaten.

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Über drei Vorlagen haben die Eidgenossen am 2. Dezember zu entscheiden. Umstritten ist nur eine davon: eine von linker und feministischer Seite eingebrachte Initiative zum „Schutz der fylutterschaft" und der darin vorgesehene Elternurlaub von mindestens neun Monaten.

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Die sich auf einen ziemlich folgenlos gebliebenen Familien-schutzartikel von 1945 abstützende Initiative will die Mutterschaftsversicherung obligatorisch erklären und von der Krankenversicherung lösen, in die sie heute integriert ist. „Denn Mutterschaft ist keine Krankheit", wird argumentiert. Mit der Versicherung wären alle Arzt-, Pflege-und Spitalkosten abgedeckt, die durch Schwangerschaft und Geburt entstehen.

Gemäß einem weiteren zentralen Punkt sollen alle erwerbstätigen Frauen das Recht auf einen bezahlten Mutterschaftsurlaub von 16 (bisher zehn) Wochen haben. Im Zentrum des Abstimmungskampfes aber steht vor allem der Elternurlaub von neun Monaten, der von der Mutter — oder im Sinne des kürzlich angenommenen Gleichberechtigungsartikels der Verfassung - auch vom Vater bezogen (oder aufgeteilt) werden kann.

Die Initianten betonen, daß das erste Lebensjahr für die geistige und seelische Entwicklung des Kindes entscheidend sei und der Elternurlaub die Möglichkeit schaffe, dem Kind das „Urver-trauen" zu geben.

Die Gegner verweisen einmal auf die auf 500 Millionen Schweizer Franken j ährlich veranschlagten (und über Lohnpromille aufzubringenden) Kosten, aber auch auf familienpolitische Argumente, weil die Forderung ausschließlich auf die ersten neun Monate ausgerichtet ist, währenddem die Aufgabe der Eltern sich doch keinesfalls auf eine solche Frist beschränken könne.

„Wer aber soll die Verantwortung auf die Dauer tragen, wenn zu ihrer Wahrnehmung zuvor ein Urlaub nötig war?", fragt etwa die „Neue Zürcher Zeitung".

Zudem wird argumentiert, es bestehe die kontraproduktive Gefahr, daß der Elternurlaub gerade zu einer Diskriminierung der

Frau in der Arbeitswelt führe, weil Arbeitgeber kaum junge Frauen einstellten mit dem Risiko, daß sie bei einer Mutterschaft bis zu 13 Monate unter Kostenfolge beurlaubt werden müssen.

Als weiteren Punkt fordert die Initiative einen umfassenden Kündigungsschutz während Schwangerschaft sowie Mutterschafts- und Elternurlaub.

Die Initiative hat über die Linke hinaus praktisch keine Unterstützung gefunden. Sie dürfte daher kaum Chancen für eine Volksmehrheit haben. Immerhin hat sie — und das ist in der Schweiz gängige politische Taktik — Druck ausgeübt, daß das Thema diskutiert wird und bezüglich eines wirksameren Mutterschutzes etwas geschehen soll.

So will der Bundesrat dem Anliegen mit einer Revision der Krankenversicherung ein Stück weit entgegenkommen. Beispielsweise soll auch hier der Mutterschaftsurlaub von zehn auf 16 Wochen verlängert und der Kündigungsschutz ausgedehnt werden. Von einem Obligatorium zur Versicherung und einem Elternurlaub aber wird Abstand genommen.

Doch das sind erst Absichtserklärungen, die noch durch die parlamentarische Mühle müssen. Es wird davon abhängen, wie „ehrenvoll" die Initiative abschneidet, wie weit die bürgerliche Parlamentsmehrheit wirkliche Verbesserungen vornimmt. Die

Christlich-demokratische Volkspartei (CVP) hat bei der Nein-Parole zur Mutterschafts-Initiative angekündigt, daß sie sich für diesen flexibleren und weniger extremen Weg einsetzen will.

Im weiteren haben die Schweizer Stimmbürger zum drittenmal über einen Radio- und Fernsehartikel in der Bundesverfassung zu befinden, nachdem bisher für diese Medien keine saubere rechtliche Grundlage bestand (der geltende Artikel aus dem letzten Jahrhundert spricht lediglich von der Post und dem Telegrafen).

Der vorgeschlagene Artikel enthält einen Leistungsauftrag (freie Meinungsbildung, kulturelle Entfaltung, Unterhaltung usw.). Lange gerungen wurde um die Formulierung des Erfordernisses der Objektivität, wobei es nun heißt, daß Radio und Fernsehen die Ereignisse „sachgerecht darstellen und die Vielfalt der Ansichten zum Ausdruck bringen" müssen. Eine Rechtsgrundlage erhält auch die bereits bestehende unabhängige Beschwerdeinstanz als „Klagemauer".

Der Artikel ist im Gegensatz zu früheren Versuchen deshalb völlig unbestritten, weil er das heiße Eisen der Beibehaltung oder Lok-kerung des Monopols der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) ausklammert und erst auf Gesetzesstufe regeln will.

Seit rund einem Jahr laufen lokale Radio- und Fernsehversuche privater Veranstalter. Die gemachten Erfahrungen sollen bei der Erarbeitung des Ausführungsgesetzes ausgewertet werden, wobei sich hier eine heftige Kontroverse abzeichnet.

Schließlich hat das Volk noch über eine ebenfalls unbestrittene Vorlage zu befinden, die Opfern von Gewaltverbrechen mehr moralische und finanzielle Hilfe garantiert. Auch dieses Geschäft geht auf eine Initiative zurück, auf deren Ziele Bundesrat und Parlament aber eingeschwenkt sind.

„Es ist ein Akt der sozialen Gerechtigkeit und der Solidarität, daß die staatliche Gemeinschaft ihren schuldlos von Unrecht betroffenen Mitgliedern beisteht", heißt es in der Abstimmungsbotschaft.

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