KPÖ-Triumph in Salzburg: Retrotopie in Dunkelrot

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Nicht nur bei den Freiheitlichen, auch bei den Kommunisten haben viele Unzufriedene in Salzburg ihr Kreuz gemacht. Warum? Über Authentizität und Geschichtsvergessenheit.

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Nicht nur bei den Freiheitlichen, auch bei den Kommunisten haben viele Unzufriedene in Salzburg ihr Kreuz gemacht. Warum? Über Authentizität und Geschichtsvergessenheit.

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„Zu neuen Ufern?“: Unter diesem Titel schrieb Barbara Coudenhove-Kalergi am 29. Mai 1965 in der FURCHE über den bevorstehenden 19. Parteitag der KPÖ. Heftig wurde damals gestritten, ob die Sozialisten doch keine „Verräter an der Arbeiterklasse“ seien, ob das neue Parteiprogramm „die vollkommene Kapitulation vor dem amerikanischen Imperialismus“ bedeute – und ob nun endlich „die Beseitigung des ganzen Stalin-Apparats“ anstehe. Viele hatten die Partei freilich längst verlassen – wegen deren „Servilität“ gegenüber der russischen Besatzungsmacht während des ungarischen Volksaufstands. Damals, im Oktober 1956, war der Drang nach Freiheit und Demokratie von Moskau blutig niedergeschlagen worden. „Es ist kaum anzunehmen, daß die Kommunisten im österreichischen Parlament je wieder eine Rolle spielen werden“, so Coudenhove-Kalergi.

Blickt man auf die jüngsten Landtagsergebnisse von Salzburg, dann ist dieses Szenario freilich wieder denkbar geworden. Neben dem erwartbaren Sieg der freiheitlichen Marlene Svazek, die mit bürgerlichem Habitus, aber strammem Kickl-Kurs 25,7 Prozent der Stimmen erreichte und damit nahe an die 30,4 Prozent von Wilfried Haslauer herankam, feierte die „KPÖ plus“ unter Kay-Michael Dankl einen Triumph. 11,7 Prozent erreichte der wortgewandte Historiker im gesamten Bundesland, in der Stadt Salzburg landete er mit 21,5 Prozent sogar an zweiter Stelle. Gelungen ist dies mit einem Rezept, das bereits die Grazer Bürgermeisterin, Elke Kahr, mit Erfolg erprobt hatte: eine zugewandte, glaubwürdige Politik, die sowohl auf Phrasen wie auf Privilegien verzichtet und nachhaltig für ein Anliegen kämpft, das den Menschen unter den Nägeln brennt: leistbares Wohnen.

Bürgerliche Lust auf „K“

Wie 2021 in Graz haben auch in Salzburg nicht nur habituelle Linke, sondern auch viele Bürgerliche die Kommunisten gewählt – aus Ärger über die Regierenden und wohl nicht selten trotz des „K“ im Parteinamen. Was „kommunistisch“ heute bedeutet und wie es sich von „sozialdemokratisch“ oder „grün-alternativ“ unterscheidet, kann freilich auch der Ex-„Junge Grüne“ Dankl nicht schlüssig erklären. Man glaube, „dass eine bessere Welt möglich ist“, meinte er am Montag in der ZIB2, man wolle „die Ausbeutung von Mensch und Natur überwinden“ – und im Übrigen habe man „mit den ganzen Diktaturen und Kommandowirtschaften“ nichts am Hut. Auch die EU wolle man nicht verlassen, sondern sie nur „sozialer und demokratischer“ gestalten. Sympathien für Putin habe man schon gar nicht – die finde man eher bei Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung.

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