Kahr

Elke Kahrs "Es geht auch anders": Marxismus auf Steirisch

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Die Ideen der Grazer Bürgermeisterin für einen „neuen Kommunismus“ erscheinen in Buchform. Elke Kahrs Lösungsvorschläge für aktuelle Missstände klingen verlockend. Doch sie bleiben eine Utopie.

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Die Ideen der Grazer Bürgermeisterin für einen „neuen Kommunismus“ erscheinen in Buchform. Elke Kahrs Lösungsvorschläge für aktuelle Missstände klingen verlockend. Doch sie bleiben eine Utopie.

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„Stell dir vor, es gäbe keinen Besitz mehr, ich frage mich, ob du das kannst. Keinen Grund für Gier oder Hunger, eine Menschheit in Brüderlichkeit“ („Imagine“, John Lennon) – eines von zahlreichen Zitaten aus Lennon-Songs, die Elke Kahr in das aktuelle Buch „Es geht auch anders“ einflechten ließ. In dem aktuellen Band – der auf Basis von Interviews mit der Autorin Silvia Jelincic entstand – vertritt sie unter anderen die These, dass „echte kommunistische Politik“ auch Friedenspolitik sei. Das wiederum bedeute, dass Konflikte stets in engem Zusammenhang mit wirtschaftlicher Macht und einem ausbeuterischen System einhergingen. Gebilde, die ein friedliches Zusammenleben konterkarierten.

Kahr stützt sich in ihrer Argumentation bewusst auf die Schriften von Marx und Engels, die ihre eigene Weltanschauung am besten umreißen würden. Mit einem Unterschied: Sie ruft nicht zur Revolution auf, und sie scheint auch nicht davon auszugehen, dass der Kapitalismus zwangsläufig zusammenbrechen muss. Stattdessen regt sie an, dessen Negativfolgen mit einer gerechteren Politik zu begegnen.

Ganztagsschule und 30-Stunden-Woche

An dieser Stelle würde man sich wünschen, sie wäre tiefer in die Theorie des Marxismus eingestiegen, hätte den Versuch unternommen, die zahlreichen Argumente, dieser sei widerlegt, zu entkräften. Das hätte zwangsläufig mit sich gebracht, sich damit auseinanderzusetzen, wie technischer Fortschritt, Innovation und Unternehmerinitiative auch gelingen können, wenn sich der Staat der Wirtschaft vermehrt und umfänglich annimmt. Wer Fehler in Kahrs Argumentationslinie sucht, findet sie an Stellen, wo sie über philosophische Fragestellungen oberflächlich hinwegfegt. Dennoch ist das kein Grund, ihre Analyse zum Status quo zu zerreißen. Tatsächlich ist diese sehr schlüssig und mit nachvollziehbaren Praxisbeispielen untermauert. Kahr sieht die Bereiche Arbeit, Bildung, Wohnen, Gesundheit, Umwelt, Umverteilung sowie Demokratie als ganz zentral für Zukunft und Gegenwart und schlägt ihren Leserinnen und Lesern, den Entscheidungsträgern der etablierten Parteien vor, jene aus anderen Blickwinkeln zu betrachten: „Wir brauchen nicht nur das Einkommen, das wir mit Arbeit erzielen, sondern die damit verbundenen Begegnungen und die Anerkennung. Immer mehr Menschen arbeiten bis zum Umfallen, während andere keine Chance auf eine geregelte, bezahlte Arbeit bekommen.“

Kahr bezieht sich hier etwa auf ältere Arbeitssuchende, Menschen mit Beeinträchtigungen, sogenannte Geringqualifizierte. Sie spricht sich dagegen aus, beim Thema Arbeit den Leistungsgedanken in den Vordergrund zu stellen, fordert stattdessen ein Umdenken in Richtung Arbeitszeitverkürzung. „Dreißig statt vierzig Stunden die Woche, bei gleichbleibender Bezahlung, das wäre ein wichtiger Schritt in Richtung sozialer Gerechtigkeit.“

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