KPÖ Kahr - © Foto: APA / Erwin Scheriau

KPÖ-Triumph in Graz: Vielstimmige Misslaunigkeit

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Nach dem Wahltriumph von Elke Kahr (KPÖ) fragt man sich: Wie war das möglich? Und woran orientiert sich der Grazer Kommunismus? Ein Antwortversuch.

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Nach dem Wahltriumph von Elke Kahr (KPÖ) fragt man sich: Wie war das möglich? Und woran orientiert sich der Grazer Kommunismus? Ein Antwortversuch.

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Kaum jemand, der Elke Kahr gewählt hat, käme auf die Idee, sie als „Genossin Kahr“ anzusprechen – und das, obwohl ihr die Kommunistische Partei Österreichs ein sensationelles Stimmenergebnis bei den Grazer Gemeinderatswahlen verdankt.

Es darf angenommen werden, dass Frau Kahr, die voraussichtlich nächste Bürgermeisterin von Graz, keiner religiösen Konfession angehört. Ob sie Atheistin ist? Wäre sie keine, könnte man sie glattweg in einem Atemzug mit den wohltätigen Werken der Vinzi-Gemeinschaft des Pfarrers Wolfgang Pucher nennen. Beide Persönlichkeiten haben sich große Verdienste in ihren Bemühungen um die Armen und die Ärmsten der Armen unserer wohlhabenden Gesellschaft erworben.

Allerdings gibt es Unterschiede der Wohltätigkeit. In den Vinzi-Dörfern sind Asylanten, Obdachlose, Drogenabhängige, Alkoholiker willkommen. Wie Frau Kahr generell zu einigen dieser Gruppen steht, lässt sich nicht genau sagen. Ihre Klientel, auf die sie ihre Hilfsbemühungen in erster Linie richtet, ist vorwiegend eine andere: In Übereinstimmung mit ihrem Vorgänger kümmert sie sich besonders um die Wohnungsnöte der armen Leute von Graz. Sie selbst weiß ja aufgrund ihrer schweren Kindheit und Jugend – wie Pfarrer Pucher auch –, was es heißt, zu wenig zu essen oder kein Dach über dem Kopf zu haben.

Eine Frage der Weltanschauung

In meinen Studententagen – lang, lang ist’s her, die Berliner Mauer stand noch – war ich mit einigen Grazer Kommunisten so halb und halb befreundet. Einer davon war Franz Stephan Parteder, der heutige Lebensgefährte von Frau Kahr. Er hatte damals schon eine Funktion in der Partei und wurde später für viele Jahre Vorsitzender der steirischen KPÖ. Damals waren die Kommunisten noch Kommunisten im ideologischen Sinne des Wortes; und – so muss man hinzufügen – die österreichischen Kommunisten ganz besonders.

Seit Nikita Chruschtschows Rede am 20. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion 1956 wurde Stalin zwar nicht mehr verehrt; dafür wurde nun die DDR – bis hin zum Mauerfall im Schicksalsjahr 1989 – offiziell als eine Art „Arbeiterparadies“ gepriesen. Ich weiß nicht, ob jemand daran wirklich glaubte. Es ist aber gut möglich, weil jede kritische Berichterstattung, allen voran jene, die das Wochenmagazin Der Spiegel pflegte, als westliche, vom amerikanischen Geheimdienst finanzierte Propaganda abgetan wurde. Die kommunistische Jugend, auch die österreichische, wurde nach Ostberlin eingeladen, man saß abgeschirmt vom DDRElend im kommunistischen Jugendlager ums Lagerfeuer und sang mit feuchten Augen weltrevolutionäre Lieder.

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