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Mehr Ideen und Kameradschaft!

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Gesprächspartner war Oberlandesgerichtsrat Dr. Franz Sauerzopf, Landeshauptmannstellvertreter und Landesparteiobmann der ÖVP Burgenland, seit 25 Jahren Richter, zehn Jahre lang auch Handelsakademielehrer (für Volkswirtschaftslehre, Rechtsund Staatsbürgerkunde).

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Gesprächspartner war Oberlandesgerichtsrat Dr. Franz Sauerzopf, Landeshauptmannstellvertreter und Landesparteiobmann der ÖVP Burgenland, seit 25 Jahren Richter, zehn Jahre lang auch Handelsakademielehrer (für Volkswirtschaftslehre, Rechtsund Staatsbürgerkunde).

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Sind Sie mit dem bisherigen Verlauf der Reformdebatte in der Volkspartei zufrieden?

SAUERZOPF: Der intellektuelle Anspruch wird zuwenig erfüllt. Zuviel ist von Statutenreform die Rede. Man diskutiert über Bünde und Parteibuchumtausch statt über eine zeitgemäße politische Idee.

Kann man diese etwa dem Salzburger Programm entnehmen?

SAUERZOPF: Ich bin oft 14 Stunden täglich unterwegs und höre die Leute immer wieder sagen, sie seien mit dem Salzburger Programm einverstanden. Wenn man weiterfragt, kennt es jeder nur dem Titel nach, aber nicht den Inhalt. Eine Art Volksausgabe (die schon fertiggestellt ist, d. Red.) ist sicher notwendig. Aber es ist auch notwendig, daß die Zahl derer -größer wird, dįe danach fragen, was anders, was neu werden soll in der Politik, in der Wirtschaft, in der Schule…

Was zum Beispiel?

SAUERZOPF: Ich glaube zum Beispiel, daß das Feindbild, das sich beide Großparteien aufgebaut haben, überholt ist. Wo gibt es denn noch die Eigentümer- Manager, die die Sozialisten als „Kapitalisten“ verteufeln? Aber auch wir schießen auf Pappkameraden, -wenn wir von einem Marxismus ausgehen, den es in dieser Form nicht mehr gibt. Wenn ich mit meinen Kindern rede, dann stelle ich fest, daß ihnen das, wovon wir Erwachsenen sprechen, völlig fremd ist. Auch das wäre eine Aufgabe der Parteiemeue- rung - festzustellen, was neu ist in unserer Gesellschaft.

Wo sehen Sie eine Chance für die ÖVP, sich im Bereich der Werte von der SPÖ abzugrenzen?

SAUERZOPF:,.' Zum Beispiel beim Thema Familie. Aber man darf nicht von der Familie ausgehen, die es nicht mehr gibt. 42 Prozent der Frauen (im Bürgenland noch mehr) sind heute berufstätig. Die Kleinfamilie ist zur Regel geworden. Die Familie ist keine feste Burg mehr, sondern eher ein Haus mit offenen Türen und Fenstern. Davon muß man einmal ausgehen. Aber dann ge- * hört der innere Wert der Familie herausgestrichen und Familienpolitik nicht nur mit mehr Geld gleichgesetzt. Jeder arbeitet doch, damit es seinen Kindern einmal besser gehen soll. Die Familie ist der erste Ort der Kultur, ist der letzte Freiraum in der Gesellschaft. Ein Großteil aller Politik ist letztlich Familienpolitik. Da muß sich die ÖVP draufsetzen.

Und wie steht es mit der Schule?

SAUERZOPF: Auch Schule und Bildung im umfassenden Sinn ist ein Gebiet, wo es strenge Trennungslinien zwischen den Parteien gibt. Aber eins muß man auch in aller Deutlichkeit sagen:

daß sich in der Schule manches verändern muß! Wir müssen sagen, daß wir »ein gutes Schulsystem haben, aber daß Änderungen notwendig sind. Ein wichtiger Ansatzpunkt dafür ist die stärkere Einbeziehung der Eltern. Aber dann müssen die Elternvereine endlich aufhören, nur Gelder zu sammeln und Ballkomitee zu spielen. Und man muß nicht nur über Organisationsformen der Schule, sondern auch über Lehrinhalte reden. Und man muß nicht nur auf das Recht auf Bil-

dung, sondern auch auf die Pflicht zur Erziehung aufmerksam mach en;-

Hat die Volkspartei auch ėmė - Chance, sich im Bereich der Sozialpolitik zu profilieren?

SAUERZOPF: Natürlich, wenn sie glaubwürdig ist dabei. Bei den Parteireformdebatten wird viel über den Primat der'Partei und über die Wahl der Stellvertreter usw. geredet. Aber man merkt deutlich, das sind angelesene Themen. In Nebensätzen fallen dann oft Worte, die verraten, wo die Leute wirklich der Schuh drückt. „Ich bin Maler und muß zusperren“, bekennt einer. Und ein anderer sagt: „Ich bin Bauer und hoff, daß ich’s bis zur Pension noch dermach …“ Bei diesen Gruppen liegt die Neue Soziale Frage.

Das sind kleine Gruppen. Kann die ÖVP eine Mehrheit bekommen, wenn sie sich mit den Anliegen kleiner Bevölkerungsgruppen identifiziert?

SAUERZOPF: Ja. Wenn die Volkspartei wirklich etwas unternimmt für einen Bauern, der sich zeitlebens abgerackert hat und heute nicht einmal zwei Drittel der Mindestrente eines Arbeiters bekommt, weil fiktive Einkommenswerte aus dem Grundbesitz eingerechnet werden, oder für einen Friseur, der mit 70 in die Rente geht und eine kleinere Pension bekommt als ein Hilfsarbeiter, dann wird sie glaubwürdig, auch bei anderen Gruppen. Das erfährt in einem Dorf jeder. Und dann ist sie auch glaubwürdiger, als wenn sie bei den Forderungen großer Gruppen mitlizitiert.

Was braucht die Partei im Gefühlsbereich, damit es wieder aufwärtsgehen kann?

SAUERZOPF: Als Landesparteiobmann, der keine Pfründe zu vergeben hat, und als Sportler habe ich rasch eine Antwort: Was uns wirklich fehlt, ist Kameradschaft, statt Ausschau zu halten nach neuen Futtertrögen!

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