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Politiker mit Rückgrat
„Die Arbeit eines Politikers wird von Widerspruch und Zuspruch der Gegner und Freunde begleitet. Er selbst muß gemäß seinen Grundsätzen, seinem Gewissen und seiner Ehrauffassung Ansichten, Entwicklungen und Absichten, die er für unrichtig und bedrohlich hält, widersprechen und allen (auch sich selbst) Zuspruch erteilen, das für gut Erkannte zu bewahren und anzustreben.“ So erklärt Theodor PiffUPercevic die Wahl des Titels seiner Memoiren. Noch keine acht Jahre nach seinem spektakulären Rücktritt als Unterrichtsminister vorgelegt, bieten sie auch jenen, welche diese Zeit in seiner Umgebung miterlebt haben, manche Einzelheit zur Ergänzung der eigenen Erinnerung.
Vor allem aber lassen sie bewußt werden, was damals, aus dem unmittelbaren Erlebnis heraus und ohne Vergleichsmöglichkeiten, noch nicht erkannt werden konnte - und was man heute so gerne absichtlich vergißt, verdrängt, nicht wahrhaben will. Von den drei Grundgesetzen des österreichischen Hochschul- und Forschungswesens, die heute die Rechtsbasis ünserer Wissenschaft darstellen, stammen zwei - das Allgemeine Hochschulstudiengesetz und das For schungsförderungsgesetz - aus der Ära Piffl. Sie tragen seine Handschrift. Sie wurden beide nach relativ kurzer und intensiver Verhandlungszeit - in der Zeit der ÖVP-Alleinregierung! - einstimmig verabschiedet und sind in ihren Grundstrukturen (soweit Teile nicht inzwischen von anderen Reformen erschlagen wurden) nach wie vor umstritten. Vom dritten Grundgesetz, dem Universitätso rganisationsgesetz, kann man all dies nicht behaupten.
Dann: Die Basis dafür, daß inzwischen das Schlagwort von der Chancengleichheit zum tragenden Element der Schulpolitik werden konnte, schuf Minister Piffl mit seiner Aktion, in jedem politischen Bezirk eine zur Matura führende Schule zu errichten. Und wenn heute im Zusammenhang mit der angepeüten Fünftagewoche in der Schule mitunter von einer notwendigen Verlängerung der Schulzeit gesprochen wird - als einst der Kampf um das neunte Gymnasialjahr verloren war, verzichtete der Minister auf eine Fortsetzung seiner politischen Karriere.
Hier wird nun wieder lebendig, wie damals im Rat für Hochschulfragen und dann in der Hochschulreformkommission diskutiert und gestritten wurde, gegen welche Widerstände Piffl sein Schulkonzept durchkämpfen mußte, welche Enttäuschungen ihm aus den eigenen Reihen angetan wurden.
Unter das gewählte Motto konnte sicher nicht alles eingebracht werden, was in diesen Jahren vor sich ging. An einen, unerwähnt gebliebenen Umstand sei daher hier erinnert: Piffl war der erste - und wohl seither einzige - Minister, der sein Ressort einer breiten, völlig unbehinderten Berichterstattung öffnete, zunächst sehr gegen die Bedenken der Spitzenbeamten, nur von seinem Vertrauen getragen. Er gab den Anstoß zur Gründung des „Informationsdienstes für Bildungspolitik und Forschung“, der dann fünf Jahre Zeit hatte, ohne jede Gängelung ein Modell der Wissenschafts- und Bildungsberichterstattung aufzubauen, wie es sonst nirgends vorhanden und heute so unentbehrlich ist wie damals. Nicht nur, daß damit der Kem zur Sammlung eines interessierten Kreises von Journalisten in allen Medien geschaffen wurde - bei allen Auseinandersetzungen, die gerade ein österreichischer Unterrichts- (und Kultur-) minister von seinem Amt her mit den Massenmedien zu bestehen hat, kennzeichnete dieses Vorgehen ein Medienverständnis, wie es angesichts der heute üblichen Polemiken nur noch märchenhaft anmuten kann.
ZUSPRUCH UND WIDERSPRUCH von Theodor Piffl-Percevic, Verlag Styria, Graz, Wien, Köln, 1977,278 Seiten, öS 275,-.
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