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Schule des Jahres 2000

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„Die Voraussage über die Bildungsinhalte des Jahres 2000 ist materiell gar keine Voraussage, sondern einfach eine Aussage darüber, was schon für die Schüler von gestern heute und in ihrem ferneren Leben notwendig und vorteilhaft ist.“ Dies erklärte der frühere Unterrichtsminister Theodor Piffl-Percevic im Rahmen einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung der FURCHE im Wiener Palais Palffy. Der anerkannte Bildungsfachmann, der zum Thema „Schule des Jahres 2000 - Überlegungen aus christlicher Verantwortung“ sprach, stellte in den Mittelpunkt seiner Ausführungen die Subsidiaritäts- und Loyalitätspflicht der Schulen gegenüber den Eltern.

Als Ausgangspunkt seiner Betrachtungen wählte der frühere Unterrichtsminister fünf in seiner christlichen Position verankerte „Fixpunkte“:

• Es ist das zunächst durch die Eltern wahrzunehmende Recht jedes Menschen, die ihm von der Vorsehung zugeteilten geistigen und körperlichen Fähigkeiten zu entwickeln.

• Es ist das gewissenhaften Eltern unabnehmbare Recht und die un- abschüttelbare Pflicht, ihre Kinder bis zu deren Selbstverantwortungsfähigkeit zu erziehen und ihre Anlagen zu entwickeln. Dieses Recht und diese Pflicht sind aber durch Stellvertretung erfüllbar.

Staat hat nur Subsidiarpflicht

• Der Staat hat die Subsidiarpflicht, die Bildungsrechte der jungen Menschen und die Erziehungspflicht der Eltern zu unterstützen. Zur Argumentation zieht der Referent die Menschenrechtskonvention, aber auch die Enzykliken „Quadragesimo anno“ und „Mater et magistra“ heran. Demnach hat der einzelne ein Recht, das zu besorgen, wozu er imstande und willens ist. Die nächstbefähigte (neben dem einzelnen) gesellschaftliche Kraft ist zunächst verpflichtet, mit ihren Mitteln zu helfen. Erst wenn das Helfen nicht mehr wirkungsvoll ist, hat die „nächstbefähigte Kraft der Gesellschaft“ das Recht und die Pflicht, die erforderliche Leistung zu vollbringen.

• Aus den vorgenannten drei Punkten zieht Piffl-Peröeviö den Schluß, die Schule sei eine Einrichtung gemäß dem Subsidäritäts- prinzip: „Die Lehrer sind Subsidiäre der Eltern und vereinen daher mit ihrer eigenen personalen und beruflichen Würde die Würde der Eltern, was eine wechselseitige Loyalitätspflicht begründet. Es kommt ihnen also unter den Staatsdienern ein besonderer Rang zu.“

• Schließlich bemerkt er, der Familie als Elementarbaustein der Gesellschaft komme Rang und Anspruch zu, gegenüber schulischpädagogischen Erfordernissen stehe sie nicht im Nachrang.

Primat der Allgemeinbildung

In der anschließend durch seine persönlichen Erfahrungen und seine humanistische Ausbildung stark geprägte Passage redet der frühere Unterrichtsminister einer an klaren Grundwerten und klassischen Maßstäben orientierten, möglichst universellen Grundausbildung der Jugend das Wort. Würde die Wissenschaft in einem mehr humanistischen Sinn gelehrt, könnte sie recht gut die Grundlage für die verschiedensten Laufbahnen abgeben: „Es geht also um eine Ausgewogenheit des Schulangebo- tes und in allen Schulen um den Primat der Allgemeinbildung. Wer ihre Notwendigkeit und ihre Gründung aus den .älteren klassischen Bildungselementen’ für nicht erforderlich hält oder überhaupt leugnet, der gleicht einem Menschen, der nichts davon wissen will, daß er von einem Vater gezeugt und von einer Mutter geboren wurde.“

Den Religionsunterricht betreffend verweist Piffl-Peröeviö auf das Recht auf Bildung, auf die Subsidiaritätspflicht der Schule gegenüber Kind und Eltern, sowie auf den von Eltern und reifen Schülern teils ausdrücklich, teils durch schlüssige Haltungen bejahten hohen Bildungswert des Religionsunterrichtes.

Ihrer Subsidiaraufgabe und Loyalitätspflicht gegenüber den Eltern müsse sich die Schule in besonderem Maße in der Frage des Sexualkundeunterrichts bewußt sein. Als einen schweren und unzulässigen Eingriff des Staates in das Elternrecht angesichts des absoluten schulischen Neulandes be- zeichnete er „die Pflichtbeschäftigung der Schule mit dem Intimis- simum des Menschen“.

Zur 5-Tage-Woche an den Schu-’ len, derzeit Reizthema Nummer 1 für Bildungsfachleute, traf Theodor Piffl-Peröeviö in Ansehung des Stellenwertes der Institution Familie eine sehr klare Aussage; „Der bisher größte und eindrucksvollste Schulversuch Österreichs, nämlich jener mit der 5-Tage-Woche, den uns Oberösterreich seit bereits sehr vielen Jahren in Praxis und Auswertung präsentiert, spricht für die Anwendung auf die gleichen Schulen in ganz Österreich.“ Die Schule müsse sich nämlich bis zu einem, die geistige moralische und körperliche Entfaltung der Kinder nicht schmälerndem Ausmaß gesellschaftlich unbedenklichen Wandlungen anpassen.

In der anschlie ßenden ausgesprochen lebhaften Diskussion unter der Leitung von Generaldirektor Hanns Sassmann stellten sich vorerst langfristig theoretische Überlegungen und Fragen. Etwa jene beängstigende Perspektive, die ein schwedischer Unterrichtsminister einmal zum Ausdtuck gebracht hat, als er meinte, das Bildungssystem müsse so angelegt werden wie ein Rasen auf einem Fußballfeld; alle Grashalme sollten gleich hoch sein.

In der Diskussion über die 5- Tage-Woche wurde für jene Schul- stufen, in denen mit dem Vormittag allein kein Auslangen gefunden werden könne, der Tagesheimschule gegenüber der Ganztagsschule der Vorzug gegeben. Ein Teilnehmer brachte den interessanten Vorschlag, grundsätzlich die 5-Tage-Woche an den Schulen einzuführen, den Samstag aber als Förderungstag für weniger erfolgreiche Schüler einzuführen. Damit könnte man vielleicht der gegenwärtig aktuellen „Anstrengungsvermeidungstaktik“, wie er es nannte, entgegenwirken. Ein anwesender Elternvereinsobmann machte darauf aufmerksam, viele Eltern seien unzulänglich oder gar nicht über ihre Mitbestimmungsmöglichkeiten im Rahmen der Elternorganisationen informiert.

Als Gastgeber begrüßte FUR- CHE-Chefredakteur Felix Gamill- scheg den früheren Unterrichtsminister und würdigte seine Verdienste als Initiator des Hochschulstudien- und des Hochschulförde- rungsgesetzes sowie als Förderer eines umfangreichen und qualitativ hochstehenden Informationsdienstes für die Bildungspolitik und Forschung (ibf). Er gab auch bekannt, daß die FURCHE - „mehr als ein Blättchen, das einmal pro Woche erscheint“ - in Hinkunft immer wieder zu aktuellen Themen öffentliche Diskussionsveranstaltungen abhalten möchte.

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