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Im Jänner endet für die Koalitionsregierung die Taferlklasse. Wie gut—oder eher wie schlecht— wird das Zeugnis aussehen, das ihr die 84,42 Prozent der Wähler ausstellen werden, die am 23. November 1986 ihre Stimme der SPÖ oder der ÖVP gegeben hatten?

Wenn sich die Regierung ihr Zeugnis selbst verdorben hat, so nur mit der Note in Betragen. Ihre Leistungen nämlich waren, wenn auch von Gegenstand zu Gegenstand verschieden, insgesamt gar nicht so schlecht.

Gemessen, versteht sich, am „Arbeitsübereinkommen“ vom 16. Jänner 1987, das allerdings, weil für vier Jahre (und stillschweigend - mit Prolongationsmöglichkeit) abgeschlossen, nur ausnahmsweise Terminvorgaben enthält:

„Unverzüglich“ eingesetzt werden sollte (und wurde) eine Arbeitsgruppe zur Integrationsvorbereitung. Unbewältigt geblieben ist hingegen bis jetzt die „sofortige“ Ausarbeitung eines längerfristig wirksamen Budgetsanierungskonzeptes. Gleich fünf in das Jahr 1987 fallende exakte Zeitpunkte finden sich im Agrar-kapitel, darunter der — eingehaltene — wichtigste für die Reduzierung der Milchanlieferung um fünf Prozent. Sogar dreizehn Mal wurden beabsichtigte Umweltschutzmaßnahmen mit der Bemerkung „Zeithorizont 1987“ versehen; insofern allerdings voreilig, als die im Begutachtungsverfahren zutagegetretenen Widerstände offensichtlich unterschätzt worden waren. Schließlich sollte „spätestens bis Ende 1987“ im Nationalrat der Entwurf für eine Wahlrechtsreform eingebracht werden, und „innerhalb eines Jahres“ hätte die Grundrechtskommission geeignete Formulierungen für die Verankerung der Familie in der Verfassung zu erarbeiten gehabt.

Der ganz große Rest des Arbeitsübereinkommens läßt sich definitiv erst am Ende der Legislaturperiode überprüfen. Bis dahin ist die „Notengebung“ eine Ermessenssache, weil es ja nicht auf die bloße Zahl der Punkte ankommt, die sich in der Checklist bereits abhaken lassen, sondern auf deren unterschiedliches Gewicht (und den unterschiedlich großen Widerstand, der zu überwinden ist).

Was wiegt beispielsweise im Bereich „Soziale Sicherheit“ schwerer: die bereits erledigte Abschaffung von Gratis-Ersatz-zeiten für die Hochschulausbildung oder das Verbleiben eines beträchtlichen Abstandes zwischen der durchgekämpften Neuregelung für Mehrfachpensionen und der im Regierungsübereinkommen versprochenen „partnerschaftlichen Hinterbliebenenversorgung“?

Nur subjektiv beantworten läßt sich daher auch die Frage, ob die folgende — keineswegs taxative — Aufzählung von mittlerweile durchgeführten Vorhaben ein einigermaßen aliquoter Teü des Regierungspensums für vier Jahre ist:

• Verbindliche Anrechnung von AHS-Ausbildungsjahren auf die Lehrzeit

• Verbesserung der Arbeitsmarktinformation

• „Stahlstiftung“ als erstes der „zukunftsorientierten Qualifikationsprogramme“

• strengere Uberprüfung der Arbeitswilligkeit von Unterstützungsempfängern

• verstärkte steuerrechtliche Berücksichtigung der Familie (durch gestaffelte Alleinverdiener-Ab setzbeträge)

• Novellierung des Kartellgesetzes

• generelles Verbot des Verkaufes unter dem Einstandspreis

• Initüerung von Sozialpartnergesprächen über eine Flexibilisierung der Ladenschlußzeiten

• Verlängerung der Wohnbauförderung

• budgetschonende Gehaltserhöhung für 1988 und weitere Anhe-bung des Pensionsbeitrages der Beamten

• Abschaffung des 32prozentigen Mehrwertsteuersatzes im vereinbarten Umfang

• einheitlicher Satz bei der Grunderwerbssteuer

• Ausgabe von Aktien der OMV

• gesellschaftsrechtliche Neuordnung der verstaatlichten Industrie

• Begünstigung für die vorzeitige Rückzahlung von Wohnbaudarlehen

• Steuerbegünstigungen für die Kunst- und Verbesserung der Filmförderung

• Luftreinhaltegesetz

• Forcierung der Katalysatoreinführung

• Neuordnung der Spitalsfinanzierung.

Und wo bleibt, könnte nach alledem (gleichermaßen von Gut-wie Böswilligen) gefragt werden, die Zensur für den Hauptgegenstand der Koalition, nämlich die Konsolidierung des Staatshaushaltes?

Gewiß, man soll in Abwandlung einer bekannten Redensart den Voranschlag nicht vor dem Rechnungsabschluß loben, aber daß gerade in diesem Punkt die Große Koalition die Nagelprobe bestanden hat, beweisen die Breite und die Vehemenz des Protestes gegen die von ihr beschlossenen Budgetsanierungsmaßnahmen ...

Oer Autor ist Wirtschaftspublizist und Herausgeber der Finanznachrichten,

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