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Digital In Arbeit

Randbemerkungen eines engagierten Christen

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Der A utor ist Leiter der Wirtschaftspolitischen A b-teilung der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und Universitätsdozent für Gesellschaftspolitik

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Der A utor ist Leiter der Wirtschaftspolitischen A b-teilung der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und Universitätsdozent für Gesellschaftspolitik

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Im Rahmen einer Arbeitstagung über Marktwirtschaft wurde kürzlich auch die Frage diskutiert, ob nicht eine Gesellschaft dann am besten funktioniere, wenn alle Aufgaben und alle Bereiche möglichst nach den Grundsätzen des Leistungsprinzips und der Eigeninitiative organisiert würden. Auch im Sozialbereich sei es möglich, Leistungsansporne durch entsprechende Bezahlung, etwa durch ein Prämiensystem, zu setzen.

Es wurde die Frage gestellt, ob die Gesellschaft von heute überhaupt noch Altruismus braucht, ob zumindestens in den entwickelten Industriestaaten mit hohem Wohlstand die Nächstenliebe nur mehr eine Rolle in den kleineren Gemeinschaften spielen müsse, nicht aber eine echte Funktion in der Gesellschaft habe.

Die Mehrheit der Tagungsteilnehmer kam zur Uberzeugung, daß bei aller Wertschätzung des Leistungsprinzips, bei der Notwendigkeit, auch die Rolle des Eigennutzes als Antriebskraft im Wirtschaftsprozeß entsprechend positiv einzuschätzen, dennoch weite Bereiche der Gesellschaft Altruismus notwendig haben: ein Engagement für andere ohne eine Berücksichtigung des eigenen persönlichen Vorteils.

Gewiß kann auch im sozialen Bereich vieles heute von der Finanzierungsseite her bewältigt werden, ist die Frage des Aufbaues einer funktionsfähigen Sozialversicherung mehr ein ökonomisches und organisatorisches Problem. Dort aber, wo es um die Praxis der Sozialarbeit und der sozialen Dienste geht, dort reichen die organisatorischen und finanziellen Maßnahmen nicht aus.

Die Diskussion um Finanzierungsprobleme im Spitalbau kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß es vom Menschlichen her viel härtere ungelöste Probleme in der täglichen Praxis gibt, etwa Behandlungsmethoden am Fließband, der Aufenthalt Schwerkranker und Sterbender in überfüllten Krankensälen -oder machmal sogar auf Gängen.

Ein weiter Bereich, in dem uneigennütziges Verhalten, Engagement aus persönlicher Verantwortung und Haltungen eines Altruismus unumgänglich sind, stellt die Behindertenfürsorge dar. Der Anteil der körperlich und geistig Behinderten in unserer Gesellschaft nimmt immer mehr zu; dabei wirken vielfältige Faktoren mit, die hohe Zahl der Verkehrsunfälle ebenso wie Umweltfaktoren, Streßerscheinungen, in gewissem Umfang auch Erbschäden durch Alkohol und Rauschgift.

Trotz beachtlicher Anstrengungen und sichtbarer Erfolge, nicht zuletzt durch das Engagement katholischer und evangelischer Institutionen, ist die Lage vieler Behinderter, vor allem auch behinderter Kinder in gewissem Umfang besser geworden. Nicht immer aber ist unsere Gesellschaft in der Lage oder auch bereit, jene Lasten zu tragen, die für die Ausbildung einer ausreichenden und entsprechend qualifizierten Zahl von Sozialhelfern für diesen Bereich erforderlich ist.

Hier bleibt noch vieles offen. Vor allem aber besteht die Illusion, das meiste am Behindertenproblem über Finanzierungsmaßnahmen lösen zu können. Bei aller Bedeutung einer wirtschaftlichen Absicherung der Einrichtungen der Behindertenfürsorge und der Rehabilitationszentren bleibt als große gesellschaftspolitische Aufgabe die Gewinnung von Persönlichkeiten, die sich hier und in anderen sozialen Berufen so engagieren, daß alles getan wird, jene Benachteiligungen im möglichen Ausmaß auszugleichen, die den Behinderten gerade in unserer Leistungsgesellschaft täglich neu entstehen.

Es ist Aufgabe einer funktionsfähigen Marktwirtschaft, ausreichende ökonomische Grundlagen zur Finanzierung aller gesellschaftlichen Aufgaben zu setzen. Eine andere Aufgabe ist es, einen Sozialstaat aufzubauen, der sich nicht in erster Linie auf anonyme Massengebilde stützt, sondern auf überschaubare Gemeinschaften, in denen persönliches Engagement auch aus einem Geiste des Altruismus gegeben ist.

Die Notwendigkeit der Eigeninitiative verbindet aber alle Bereiche der Gesellschaft, die in der Wirtschaft genauso wie die der sozialen Dienste.

Kindesmißhandlungen

Zu dem Artikel über Kindesmißhandlungen (Nr. 23) möchte ich kurz mein Erstaunen ausdrücken, daß die FURCHE so einseitige demagogische Stellungnahmen und Meinungsmache, die mit Sachlichkeit nichts zu tun hat, so kritiklos wiedergibt.

Es ist eine üble Manipulation der Begriffe und eine billige Argumentation, von offenkundigen und sicher zu verurteilenden Mißhandlungen auszugehen und im selben Atemzug jede Züchtigung zu einer Mißhandlung zu erklären. Auch daß die Grenzen fließend sind, ist unbestritten. Das gilt auch beim Essen und Trinken bzw. (sit venia verbo) Fressen und Saufen usw. Ebenso steht aber auch fest, daß es eindeutige

Mißhandlungen und eindeutig gerechte und von vielen vernünftigen Eltern für notwendig gehaltene Züchtigungen gibt.

Was die Bibel und den so nebenbei zitierten Satz aus ihr anbelangt, so kann man aus ihr eine ganze Sammlung von Sätzen über die richtige Erziehung bringen. Ob dies dann „übrigens nur von einer Minderheit positiv bewertet wird”, ist für die Wahrheit der biblischen Lehren wohl ziemlich belanglos, denn mit Mehrheiten die Wahrheit festzustellen, dürfte ja wohl nicht der intelligenteste Einfall sein.

Dr. Andreas Rauch 8020 Graz

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