Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Religionserfassung ist notwendig
„Karl Freund, Dr. iur., Notar, 1030 Wien, Fasangasse 24, röm.-kath.” steht derzeit im Personenstandsregister. Künftig soll das „röm.-kath.” nicht mehr dabeistehen. „Weil das Konfessionsbekenntnis den Staat nichts angeht.”
Dagegen haben alle Kirchen und Religionsgesellschaften Österreichs protestiert. „Weil sie dann nicht mehr so leicht an die Kirchenbeitragszahler herankommen”, sagen die Verfechter der Streichung.
Ja, das ist es auch. Es wortreich zu bestreiten, wäre pharisäerhaft. Aber es ist gewiß nicht das allein und nicht einmal das in erster Linie.
Die Kirchen wollen von ihren Mitgliedern ja nicht nur Geld, sie wollen an sie ja auch mit ihrem Angebot herankommen. Ihnen vor allem bieten sie Gottesdienste und Sakramentenspen-dung, Pfarrblätter und Balleinladungen, Ausflugstermine und Aussprachetermine an.
Wenn ein Pfarrer einmal nicht mehr weiß, wer zu seiner Gemeinde gehört, muß er sein Angebot an alle richten. Abgesehen von den erhöhten Kosten: Werden sich nicht jene, die mit einer Kirche nichts zu tun haben wollen, über solche ständige Belästigungen ärgern?
Für kleinere Religionsgemeinschaften ist es besonders schwer, unter zehntausend Gemeindebürgern ihre hundert Schäflein ausfindig zu machen. Angesichts zunehmender Mobilität - in manchen Gemeinden wechseln jährlich bis zu 20 Prozent der Bevölkerung - ist es schon eine erhebliche Erleichterung der Arbeit, wenn der Zuzieher am Meldeamt auch sein Bekenntnis angibt.
Warum aber sollte der Staat den Kirchen die Arbeit erleichtern? Auch darauf gibt es eine grundsätzliche, nicht nur eine opportunistische Antwort: weil die Beziehungen zwischen Kirche und Staat in Osterreich auf der Grundlage der wechselseitigen Zuordnung, nicht der Trennung geordnet sind. Weil der Staat bewußt den Kirchen eine Miterziehungsaufgabe übertragen hat. Weil der Staat von den Kirchen ein Pflegen der Werte erwartet.
Zudem vergißt der Staat, daß er selber eine Reihe von Gesetzen erlassen hat, bei denen das Religionsbekenntnis eine Rolle spielt. Wie sollen diese Gesetze angewendet werden, wenn die Feststellung nicht mehr möglich ist?
Zum Beispiel gibt es gesetzliche Bestimmungen über Möglichkeiten und Zuständigkeiten bei einer religiösen Erziehung der Kinder. Das Vormundschaftsrecht hat mit dem Religionsbekenntnis zu tun.
An- und Abmeldungen beim Religionsunterricht setzen voraus, daß man den Kreis der Verpflichteten kennt. Religionswechsel und Religionsaustritt müssen vor der staatlichen Behörde erfolgen.
Der Staat garantiert der Religionsausübung Freiheit und Schutz. Wie soll man den Kreis der Nutznießer kennen? Am Karfreitag brauchen Protestanten nicht zur Arbeit zu kommen, Katholiken schon. Wer bestimmt, wer evangelisch ist?
Also muß auch der Staat selbst an der Erfassung des konfessionellen Bekenntnisses interessiert sein. In anderen Ländern, wo es diese historisch gewachsene Zuordnung von Staat und Kirche nicht gibt, kann man leichter auch ohne Religionserfassung auskommen.
Zu bedenken ist schließlich ein gewisser Demonstrationseffekt, der mit der Streichung dieser Bestimmung verbunden wäre. „Wozu Religion?” würden sich wieder ein paar mehr fragen, wenn auch der Staat sich nicht mehr dafür interessiert.
Tatsache ist ferner, daß der Staat den Kammern bei der Erfassung ihrer Mitglieder sehr wohl behilflich ist. Sind die Vertreter materieller Interessen tatsächlich wichtiger als die Vertreter geistiger Anliegen?
Ein paar Fragen, mit denen sich die Volksvertreter unvoreingenommen befassen mögen, ehe sie dem Gesetzentwurf der Regierung, der sie demnächst erreichen wird, blindlings zustimmen.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!