6895315-1980_09_01.jpg
Digital In Arbeit

Sicherheit durch mehr Information

Werbung
Werbung
Werbung

Natürlich werden die Sowjets nicht anläßlich des Machtwechsels in Belgrad von der CSSR aus über Österreich nach Jugoslawien zu marschieren beginnen. Sie wollen selbstverständlich mehr Einfluß auf die jugoslawische Politik nehmen. Aber sie werden versuchen, das durch Beeinflussung einzelner Politiker, durch Einschleusung gefügiger Bundesgenossen in wichtige Positionen, gegebenenfalls auch durch das Schüren von Nationalitäten- und anderen Konflikten zu erreichen.

Es kann sein, daß alle diese Versuche ergebnislos bleiben. Es kann auch sein, daß sich auf diese Weise wenigstens zum Teil erreichen läßt, was angestrebt wird. Und es ist eine weitere der mehrfachen Möglichkeiten, daß es im Zuge innerstaatlicher Konflikte künftig einmal zu einem „Hilferuf einer der politischen Frak-" tionen an die Adresse der Moskauer Genossen kommt. In diesem Fall weiß man, wie rasch „brüderliche" Hilfe gewährt zu werden pflegt.

Genau für einen solchen Fall aber muß und kann Österreich auch militärisch gerüstet sein. In einem atomaren Großkonflikt der Supermächte hat unser Bundesheer nichts zu bestellen.

Aber wenn eine begrenzte militärische Aktion droht, dann wird die Frage für einen potentiellen Aggressoraktuell, ob man rasch und „billig" über österreichisches Gebiet marschieren kann oder nicht. Wenn die Abschreckungsdrohung ernst genug, der „Eintrittspreis" zu hoch erscheint und dafür lieber ein Umweg eingeschlagen wird, dann hat das Bundesheer seine kriegsverhindernde Funktion erfüllt.

Als Kriegsverhinderungsinstitution ist das Bundesheer moralisch auf jeden Fall gerechtfertigt. Diese Funktion kann es aber nur erfüllen, wenn es glaubhaft macht, daß es im Ernstfall auch zum Kriegführen bereit ist, Hier liegt das moralische Dilemma für Waffendienstverweigerer aus Gewissensgründen, hier aber auch das stärkste Argument der Heeresbe-jaher aus Gewissensgründen.

Darüber müßte offen diskutiert werden: nicht nur unter Christen, unter allen Österreichern. Und die Politiker müßten dazu den Anstoß geben. Und ebenso müßten sie immer wieder hervorheben, daß zur umfassenden Landesverteidigung auch die wirtschaftliche Vorsorge, auch der Zivilschutz, auch die geistige Vorbereitung, auch die Einübung in gewaltlose Formen der Landesverteidigung gehören. Und neben Reden auch Taten setzen.

Sie tun es nicht. Im Moment werden sie wahrscheinlich sagen, daß es politisch unklug, ja pietätlos wäre, ausgerechnet bei einem Machtwechsel in einem Nachbarland das Thema aufs Tapet zu bringen. Wenn aber der äußere Anlaß fehlt, sind sie für eine solche Diskussion überhaupt nicht zu gewinnen.

Wann also ist die Zeit dafür geeignet? Sie ist immer da, wenn man einen politischen Auftrag ernstnimmt. Österreichs führende Politiker nehmen den Auftrag zu umfassender Landesverteidigung seit 35 Jahren zuwenig ernst. Kann es wunder nehmen, daß solches dann auch von den übrigen Österreichern zu vermelden ist?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung