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Von alten Geistern und neuem Geist

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In unserer angeblich so aufgeklärten Gesellschaft soll „Hermetik" eine „neue Weltsicht" bringen? Bedeutet Hermetisches nicht das radikal Verschlossene, Abseitige, Undurchsichtige? Da ist doch wohl die beliebte Alltagsfloskel „alles klar" eher auf der Höhe der Zeit? Höchstens - wenn nur von Kehr- und Negativformen der Hermetik die Rede wäre: von Magie und Zauberei, von Teufelswahn und Geistersehen. Solche Absonderlichkeiten blieben ja beileibe nicht im finster genannten Mittelalter zurück; sie feiern immer wieder fröhliche Urständ', zum Beispiel in Sekten und Jugendreligionen. Das vielfach schillernde „Gesamtbild der Göttergestalt Hermes", das hinter all dem nur schwach aus den Tiefen mythologischer Zeiten herdämmert, bedarf deshalb tatsächlich mehr denn je einer erhellenden philosophischen Theorie oder besser: Phänomenologie.

Schon 1983 präsentierte der Würzburger Ordinarius Heinrich Rombach eine solche, um mit „Welt und Gegenwelt" notwendiges „Umdenken über die Wirklichkeit" anzuregen. Skeptische Fragen dazu stellte der Autor gleich selbst: „Aber warum gerade Hermes, warum ein Gott? Warum überhaupt Götter? Was sollen uns heute die alten Götter?" Eine Antwort versuchte damals der ganze reich bebilderte Band, dem jetzt ein weiterer beispringt, der zuvor Gesagtes erläutert und um neue Aspekte ergänzt.

„Gott und die Welt" •

In der „Hermetik" wird dabei eine verlorene Daseinsform gesucht, die dem frühen Menschen nicht als Theorie, nicht in begrifflicher Form erschienen sei, sondern buchstäblich anschaulich in Gestalt eines Gottes. Dies aus der Erfahrung, daß der Mensch das Ganze eines stimmigen Lebensentwurfs, der die wichtigsten Grundthesen über Natur und Geschichte, Wahrheit und Wert, Ursprung und Ziel umfaßt, „nicht aus sich selbst hterausspinnen kann". Es zeigt sich ihm vielmehr als glückliche Findung, als Gemeinschaftsgenese: in konkreativem Zusammenspiel wollen „Gott und die Welt", wie man auch umgangssprachlich so treffend sagt, je und jäh hervorgetrieben werden.

Diese „Wahrheit der Götter" ist nun keinesfalls vergangen; weil sie womöglich noch nicht einmal ganz hervorgekommen ist, stellt eine weitere „ruhige und vernünftige Rede von scheinbar Unvernünftigem" im vorliegenden Buch jetzt Dionysos in den Mittelpunkt der Betrachtungen: wieder ganz an-schaulich als Bildphilosophie. Was aber hat Dionysos mit Hermetik, mit Hermes.zu tun? „Hermes ist nicht nur ein Gott, sondern eine Götterwelt", hören wir von Rombach: „Er findet sich mehr oder weniger deutlich in anderen Göttern widergespiegelt, so in Thot, Shiva und Wotan, vor allem aber in Dionysos und Pan." Dionysos galt von alters her als der „kommende Gott". Besonders Friedrich Hölderlin nahm diesen Gedanken viel später wieder auf und verdichtete die mythologische Gestalt zu der Christi.

Solchem „Gestaltwandel des Göttlichen" derrkHtembacrrweiter nach: der „kommende Gott" ist dabei nicht „ein anderer Gott als der, den das Christentum lehrt, aber er ist anders Gott als jener. Er ist vielleicht ein Mittler, ein Wesen im Zwischenreich." Man beachte aber genau die weitere Wesensbestimmung dieses Göttlichen: es ist nicht „der Gott, der irgendwann kommt und dann-da ist, sondern der Gott des Kommens, oder besser: der Gott dessen, daß etwas über den Menschen kommt."

Spirituelle Weg-Geminschaft

Dies kann als religiöse Bekehrung nach dem Vorbild eines Paulus oder Augustinus geschehen, aber auch als Erleuchtung, wie sie die fernöstliche Zen-Erfahrung kennt. In beidem eine west-östliche spirituelle (nicht spiritistische!) Weg-Gemeinschaft zu sehen und damit ein Gespräch zwischen Weltreligionen, Geistkonzeptionen und Kulturen anzuregen, ist ein besonderes Anliegen des neuen Buches.

WELT UND GEGENWELT. UMDENKEN ÜBER DIE WIRKLICHKEIT: DIE PHILOSOPHISCHE HERMETIK. Von Heinrich Rombach. Basel 1983. 181 Seiten. DER KOMMENDE GOTT. HERMETIK -EINE NEUE WELTSICHT. Von Heinrich Rombach. Freiburg 1991. 164 Seiten.

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