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Wachstumsbranche
,J)ie Übertragung von embryonalem Gewebe wird die gegenwärtige Transplantati-ons-Industrie vermutlich bald in den Schatten stellen.“ Das prognostizierte vor kurzem das „Wall Street Journal“.
Die .Medical Tribüne“ berichtete, zu viele Spenderorgane würden „unnütz zu Grabe getragen“, und in Paris sorgt sich die Medizinerin Michelle Plachot, daß künstlich gezeugte Embryonen, die derzeit auf Eis liegen, eines Tages „auf den Markt“ kommen könnten.
Alle diese Details waren in der Titelgeschichte der Weihnachtsnummer des ,JSpiegel“ zu lesen.
Es ging darum, daß Babys, die ohne Großhirn zur Welt kommen, als „menschliche Ersatzteillager“ dienen.
Da eines Tages alles, was gedacht wird, auch getan werden kann, fragen sich Mediziner mit Ethos, wann es zur planmäßigen Erzeugung von lebenden menschlichen Organbanken kommt.
Der amerikanische Wissenschaftler Arthur Caplan hat diese Schreckensvision so formuliert: ,JJas schlimmste denkbare ethische Übel wäre die Erzeugung menschlichen Lebens nur zu dem Zweck, es vorzeitig zu beenden und in Stücke zu zerle-gen.
So absurd ist das alles nicht, und bestimmt hat der Gynäkologie-Professor recht, der im TV-Magazin ,J?anorama“ erklärte, „an einigen Ecken und Enden wird sicherlich schon mehr gebastelt, als wir heute noch glauben ...
In der 1967 gegründeten Organ-Vermittlungszentrale ,JZurotransplant“ in Leiden sind Daten von mehr als 100.000 Patienten gespeichert, die in den Benelux-Län-dern, der Bundesrepublik Deutschland und Österreich auf ein Spenderorgan warten. Die Transplantationsmedizin ist zu einer „Wachstumsbranche geworden und ungeduldige Chirurgen konzentrieren ihr Interesse zunehmend auf die Ungeborenen.
Der Gynäkologe Fritz Beller (Münster) hat auch gleich eine Begründung geliefert, warum man sich gegen diese Tendenzen nicht wehren dürfe: Weil eine Gesellschaft, die sich entschieden habe, „lebensfähige Föten zum Fötozid freizugeben, ohne das Ausmaß der Schädigung in irgendeiner Form festzulegen“, kein Recht habe, ethische Bedenken gegen die Organentnahme bei Föten oder großhirnlosen Kindern anzumelden.
Ganz logisch, nicht?
Die Interessenten sind zu Tausenden da, das Geschäft blüht und scheinhumane Argumente, daß dies alles getan werden müsse, um Leidenden Hilfe zu bringen, lassen sich immer finden.
Huxleys ,JSchöne neue Welt“ ist längst angebrochen.
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