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Weltgeschichte(n)
Unsere Massenmedien, haben wieder einmal geschlafen. Kaum zu glauben, daß sie sich über die Kanzlerdrohung erregten, publizistische Schelte wegen der Repräsentationsspesen der Regierung mit einer Volksbefragung über die Zeitungs-subvenitionen zu beantworten, ohne zu begreifen, daß es doch um etwas ganz anderes ging. Auch das Gespräch des Finanzministers mit zwei innenpolitischen Kommentatoren in der zweiten „Zeit im Bild“ des letzten Montags wurde von niemandem als das erkannt, was es tatsächlich war. Absurd, zu glauben, ein österreichischer Bundeskanzler oder gar ein Finanzminister könnte ein paar Zeitungsartikel im Zusammenhang mit einer so lächerlichen und unwichtigen Angelegenheit wie der Uberziehung eines Repräsentationsbudgets um das Zwei- oder höchstens Dreifache ernst genug nehmen, um überhaupt darauf zu reagieren.
In Wirklichkeit war das Ganze natürlich nicht mehr, aber auch nicht weniger als die öffentliche Generalprobe neuer Methoden, die Massenmedien unseres Landes zu einer objektiveren Berichterstattung zu veranlassen. Dabei ist man in den letzten Stunden in hektischen Beratungen einen wichtigen Schritt vorangekommen. Wie wir aus absolut verläßlicher Quelle erfahren, wurde die Idee einer Volksbefragung, ob die Österreicher mit der Subventionierung von Zeitungen einverstanden sind, in der Zwischenzeit fallengelassen. Hauptgrund für den Verzicht auf eine solche Volksbefragung war die Beispielswirkung einer solchen Aktion. „Wenn wir das wirklich machen“, soll eine hochgestellte Persönlichkeit gesagt haben, „müssen wir die heut' womöglich auch um ihre Zustimmung zu allen anderen Subventionen fragen, und wo würde das hinführen? Wenn wir diesen überaus gefährlichen Weg beschreiten, landen wir noch bei der direkten Demokratie, und welche Katastrophe das für ein Land bedeutet, sieht man doch am Beispiel der Schweiz, die sich seit Jahren bemüht, den österreichischen Vorsprung bei den Inflationsraten einzuholen!“
Hingegen wird schon seit längerem ernstlich erwogen, in ein neu zu schaffendes „Bundesgesetz zur Gewährleistung einer objektiven Unterrichtung der Öffentlichkeit“ eine genaue Definition des Begriffes „Meinung“ einzufügen. Die besten Aussichten hat dabei der Vorschlag von Minister Androsch, der folgenden klaren Gesetzestext entwarf:
„Unter einer ^Meinung' im Sinne dieses Bundesgesetzes ist jeder in einer periodisch erscheinenden Druckschrift vorgebrachte, in sich geschlossene Gedankengang zu verstehen, der nicht der Definition einer Tatsachenmitteilung entspricht. Jede Meinung, welche die Bundesregierung, deren Tätigkeit, Mitglieder der Bundesregierung sowie beziehungsweise oder deren Tätigkeit betrifft, ist vor der Veröffentlichung dem, den oder der Betroffenen zur Prüfung vorzulegen, ob die Tatsachen beziehungsweise Tatsachenmitteilungen, auf denen die betreffende Meinung beruht, richtig sind. Die , Antwort ergeht als schriftlicher Bescheid, Rechtsmittel sind zulässig und im Amtswege einzubringen. Die Veröffentlichung v n Meinungen, auf welche die obige Begriffsbestimmung zutrifft, ohne Anhörung des oder der Betroffenen ist unzulässig und zieht ebenso wie die Veröffentlichung von Meinungen, welche auf unrichtigen Tatsachenmitteilungen oder auf der irrigen Interpretation an sich richtiger Tatsachen beruhen, den Verlust einer etwaigen, der betreffenden periodischen Druckschrift gewährten Subvention nach sich. Die Definition der Begriffe ' .Tatsache' und Tatsachenmitteilung' erfolgt im Verordnungswege.“
Einem Demel-Bediensteten konnten wir die Mitteilung entlocken, daß Androsch die Bedenken eines befreundeten Chefredakteurs im Laufe eines Arbeitsessens innerhalb weniger Minuten zu zerstreuen vermochte. Diesem Gewährsmann zufolge entwickelte sich die Unterhaltung zunächst für Demelsche Verhältnisse eher lautstark, diese Phase des Gesprächs endete mit der abrupten Bemerkung des Ministers: „Was eine Meinung ist, bestimme ich!“
Als der Hauptgang aufgetragen wurde, hatte sich die Atmosphäre beruhigt, und Androsch sicherte seine Entschlossenheit zu, den Verfassungsgrundsatz der Meinungsfreiheit keinesfalls anzutasten. Es gehe ihm um die „Objektivität in der Meinungsvielfalt“, er habe mit der Pressepolitik nur als ein Kabinettsmitglied unter anderen zu tun, habe sich auch auf keinen Gesetzestext festgelegt — er sei nur der Ansicht, daß die Ausgewogenheit der Berichterstattung, mit der man im ORF gute Erfahrungen gemacht habe, auch in den gedruckten Massenmedien angestrebt werden sollte.
Modelle, wie dem Ideal einer objektiven Presse näherzukommen wäre, werden unterdessen im Bundeskanzleramt kolportiert. Der Kanzler selbst soll Projekten, die Höhe der Zeitungssubventionen von der Objektivität jeder Zeitung abhängig zu * machen., nur geringe Chancen einräumen. Trotzdem wird ein geheimes Forschungsprogramm, die Objektivität von Zeitungen mit Hilfe von Computern zu ermitteln, weiterverfolgt. Das sogenannte Programm A, das der Objektivitätsanalyse reiner Tatsachenmitteilungen dient, macht dem Vernehmen nach gute Fortschritte, hingegen stellen sich der Computer-Untersuchung der Leitartikel, Glossen, Satiren und sonstigen Meinungsäußerungen auf ihren Objektivitätsgehalt unerwartete Schwierigkeiten entgegen.
Aus diesem Grund wird jetzt die Bildung einer „objektiv zusammengesetzten“, paritätischen Kommission erwogen, welche die Aufgabe haben soll, die österreichische Presse laufend zu beobachten und jeder Zeitung Noten von Eins (,sehr objektiv') bis Fünf (.äußerst unobjektiv, bösartig') zu erteilen. „Aus dem Ergebnis“, soll der Bundeskanzler gesagt haben, „werden wir unsere Schlüsse ziehen“.LUKIAN
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