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Wer gibt, gewinnt!

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Wir können uns zwar nicht zu den Entwicklungsländern zählen, uns quälen nicht Hunger und Hitze, aber doch ist fast jeder von uns mit Schwierigkeiten bis zum Scheitel eingedeckt. Wie ferne klingt uns die Not der „Dritten Welt“ in den Ohren. Aber mit steigendem technischen und wirtschaftlichen Fortschritt rückt uns auch der Urwaldmensch immer näher, denn wir können durch Knopfdruck (täglich um 19.30 Uhr) das Elend in unser Wohnzimmer ein- ląssen.

Entwicklungshilfe ist heute keine karitative Hilfeleistung, sondern reale Wirtschaftstaktik. Jeder Staat sieht sich mit diesem Problem konfrontiert, denn wir können unseren Güteraustausch nicht mehr auf das eigene Land beschränken. Der stän-

dig wachsende Ausbau der Infrastruktur und die Erschließung der Rohstoffgebiete haben unsere Welt kleiner gemacht. Wir überbrücken Hunderte Kilometer und rücken enger zusammen.

Die großräumige Gemeinschaft verbindet und verkettet, so daß Staaten miteinander leben müssen und aufeinander angewiesen sind. Die Hilfeleistung der Industrieländer zielt auf den Gewinn; durch das Herausreißen der Naturvölker aus ihrer Bedürfnislosigkeit sollten neue Handelspartner und Absatzmärkte gefunden werden, damit die Weltwirtschaft den Prozeß des ständigen Wachstums aufrechterhalten kann.

Doch Mission ist nicht mit Staatsverhalten gleichzusetzen, sie ist, trotz der oft erschreckend realen Tätigkeit, von Idealen erfüllt Und geleitet.

Um als Spender ein bewußter Teil dieses Hilfswerkes zu sein, ist es für den einzelnen notwendig, Grundsätzliches zu überdenken und einzuordnen.

Ich meine, daß es wichtig wäre, die persönliche Einstellung zum Menschen zu überprüfen, um schließlich ehrlich den Wert des primitiven Buschmannes dem eigenen, gleichzusetzen. Sicherlich ist es für uns schwierig, die Ordnung, der wir täglich begegnen, außer acht zu lassen. Wenn wir uns auch von dem materiellen Leistungszwang zu lösen vermögen, so verlangt es doch viel Gedankenarbeit, geliebten und erstrebten Dingen, wie Bildung und Kultur, eine zweitrangige Stellung zu geben.

Und doch erscheint es mir unumgänglich, daß der Christ klar sieht, daß jeder Mensch gleich ist und daß sein Wert in der Christusnachfolge zu suchen ist. Wie sehr er Gottes Geist in sein Leben eindrihgen läßt, obliegt aber nicht unserer Urteilskraft.

Um zu geben, ist es notwendig, von unbedingter Bereitschaft dazu erfüllt zu sein. So sollten wir uns der raschen Wandelbarkeit und Unsicherheit des Materiellen bewußt sein und deshalb nicht ängstlich daran hängen und cjarauf bauen, sondern den Halt im

Glauben finden. Nur auf diese Weise können wir Freiheit und Sorglosigkeit erlangen.

Betrachten wir die Güter als Geschenke, die uns gegeben, nicht aber kraft unserer alleinigen Person unumstößlicher Besitz geworden sind, so können wir natürlich und selbstverständlich geben. Gott gibt - und wir geben weiter.

Trotz der Massenmedien gelingt es uns aber immer wieder, die Augen zu schließen. Keiner kann behaupten, daß er vom Leid der Hungernden nichts wisse. Nun kann und soll man nicht versuchen, mit anonymen Millionen mitzuleiden. Das enthebt aber nicht der Verantwortung; nicht gefühlsmäßiges, schließlich oberflächliches Bedauern ist gefordert, son-

dem dáš klare Sehen der Not und die Entscheidung zur Tat.

Doch erlangt ein Mensch auch die persönliche Einstellung und Bereitschaft zur Hilfeleistung, so können ihm doch die Möglichkeiten der realen Umsetzung große Bedenken bereiten. Die Entwicklungshilfe selbst stėht noch am Beginn eines Prozesses und muß erst langsam durch Fehler lernen, daß man nicht gedankenlos, wenn auch im guten Glauben, unterstützen und mitarbeiten kann.

Viele Aspekte, wie etwa die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, die Einschränkung durch Mentalität, klimatische und landschaftliche Voraussetzungen und die hervorgerufenen gesellschaftlichen Veränderungen, die Entwurzelung der Menschen - dies alles muß miteinbezogen und abgewogen werden. Diese auch von Experten noch heftig umstrittenen, noch weitgehend ungelösten Probleme übersteigen wahrscheinlich das Wissen und die Informationsmöglichkeit des Laien.

Trotzdem kann man sich nicht der Pflicht der Auseinandersetzung entziehen, sondern sollte versuchen, sich einen gewissen Einblick in einige Projekte zu verschaffen und die ihm sinnvoll und glaubwürdig erscheinenden Organisationen unterstützen.

Die grundsätzlichen Überlegungen, die dem bewußten Spenden vorangehen, rühren an die tiefen Fragen des christlichen Lebens selbst. Die Neuordnung des Wertsystems und der Weltanschauung auf unseren Schöpfer hin bringen Selbsteinschätzung, Kritikfähigkeit und somit einen Gewinn für die gesamte Persönlichkeit. Nur durch das Wissen, welchen Teil ich in der Schöpfung einnehme, kann ich von jener Gelassenheit, Toleranz und Geduld erfüllt werden, die sich in der tatkräftigen Solidarität mit allen Menschen zeigen und bewahrheiten wird.

(8. Klasse, Privates Wirtschaftskund- liches Realgymnasium, Wien VII, Kenyongasse)

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