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Zwiespältige Zukunftssicht

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In seinem Beitrag zum Buch „Die zweifelnde Gesellschaft“ berichtet Joachim Lamel über eine repräsentative Meinungsumfrage in Österreich, in der die Einstellung der Bevölkerung zur Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft erfaßt wurde.

Deutlich wird, daß der Österreicher eine ambivalente Haltung einnimmt: Groß ist die Mehrheit derjenigen, die eine stetige Weiterentwicklung der Menschheit erwarten, groß aber auch die Zahl der Personen, die auf harte Zeiten gefaßt sind (85%). Was die Problemlösungsfähigkeit anbelangt, überwiegt der Pessimismus: Gar nichts wird dem einzelnen, dem kleinen Mann zugetraut, wenig von den Politikern erwartet, obwohl die Ansicht vorherrscht, daß eine gute Politik an sich imstande sein müßte, mit unseren Problemen fertig zu werden.

Bleiben Wissenschaft und Technik: Ihnen traut man noch am meisten zu, ist aber gleichzeitig überzeugt, daß jede neue Errungenschaft ihren Preis hat (91%). Fragen, die sich genauer auf die Einschätzung der Technik beziehen, zeigen allerdings, daß eine skeptische Einstellung überwiegt: „Die Technik hat dazu geführt, daß unser System sehr störungsanfällig geworden ist, sie bedroht den Menschen heute mehr als sie ihm nützt“, faßt Joachim Lamel die Befragungsergebnisse zusammen.

Interessant sind auch die Antworten über die Einstellung zu verschiedenen Wissensbereichen: Restlos abgelehnt wird alles, was auf Eingriff in die Erbmasse abzielt. Eher ablehnend ist man gegenüber der Atomenergie. Ebepso wird eine gewisse Skepsis gegenüber der modernen Medizin, besonders ihrer Apparate wegen, geäußert. Höchst kritisch wiederum ist die Einstellung zum Computereinsatz. Man befürchtet, daß er den Menschen zur Nummer degradiert.

Zwiespältig ist die Haltung des Österreichers zur Energieproblematik: Einerseits wird sie als Existenzfrage der Menschheit angesehen, und man befürchtet, daß höherer Energieverbrauch das Klima stören werde. Andererseits wird aber der Hoffnung, daß immer neue Energiequellen gefunden werden, Ausdruck verliehen.

Ganz deutlich wird das Umweltproblem als Bedrohung gesehen: Rund 90% sind wegen Luft- und Wasserverschmutzung besorgt, 86% rechnen mit einer Rohstoffverknappung. Allerdings erhofft man sich durch Maßnahmen wie Abwassejrbeseitigung und Recycling eine Abhilfe. Um mit Umweltproblemen zurechtzukommen, wird die Einführung strengerer Bestimmungen gefordert (von 92%) und sogar „eine radikale Änderung von Wirtschaft und Gesellschaft“ als unvermeidlich angesehen (71%).

Ein schlechtes Image haben Kunstdünger und Schädlingsbekämpfungsmittel. 86 Prozent der Befragten sind überzeugt, daß sie Lebensmittel mit langfristig wirksamen Stoffen belasten. Eine Gewöhnung an chemische Stoffe wird für unrealistisch gehalten, die Sehnsucht nach naturnaher Ernährung ist groß (78%).

Dennoch ist die Einstellung zum Konsum im allgemeinen eher unklar. Ständig steigende Ansprüche erscheinen wohl als problematisch, man befürchtet jedoch auch von einer Einschränkung des Verbrauchs wirtschaftliche Schwierigkeiten.

Besorgt ist der Österreicher auch wegen der Arbeitsplätze, die er durch die fortschreitende Automatisierung gefährdet sieht. Auch in dieser Frage ist er - wie die Experten — zwiespältig, denn er erhofft sich von der Automatisierung auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Zwiespältigkeit auch bei der Einstellung zum Wirtschaftswachstum: 75% meinen, daß es dazu führt, daß es den Menschen besser geht, 61%, daß es mehr Probleme schaffe als löse.

Schließlich sei noch erwähnt, worüber in Österreich weitgehend Konsens herrscht: 90% bringen zum Ausdruck, daß ohne Arbeit ein sinnerfülltes Leben nicht vorstellbar sei. Wohl wäre man froh, wenn sinnentleerte Arbeit von Maschinen übernommen werden könnte, die Vorstellung aber, daß eines Tages alles von Maschinen getan werde, begeistert den Österreicher nicht.

DIE ZWEIFELNDE GESELLSCHAFT. Von Günther Chaloupek und Joachim Lamel (Hrsg.) Bundesverlag, Wien 1983, 232 Seiten, öS 218,-.

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