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Verteidigung des Glaubens

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Wahre Sittlichkeit und Situationsethik. Von Dietrich von Hildebrand. Patmos-Verlag, Düsseldorf. 194 Seiten. Preis 13.80 DM.

Nachdem K. Rahner 1950 auf die Gefahren der Situationsethik und der damit verbundenen Sündenmystik als erster aufmerksam gemacht hatte, hielt Papst Pius XII. zwei lahre später für die „Föderation Mondiale des Jeunesses Feminines Catholiques“ eine äußerst klare und gut informierte Ansprache, in der diese neue Ethik in ihrer schroffsten Form charakterisiert und verurteilt wurde. Jetzt erscheint von sehr berufener Seite eine ausführliche Darstellung, die sich ebenfalls mit dieser gefahrvollen Strömung befaßt. Wenn nämlich ein bekannter Moralphilosoph, wie Dietrich von Hildebrand einer ist, der außerdem für die neuzeitlichen Bedürfnisse ein offenes Auge hat, trotz aller Einsicht zu einer scharfen Ablehnung kommt, verdienen seine Darlegungen eine mehr als gewöhnliche Aufmerksamkeit, vor allem in den katholischen Kreisen von idealistisch gesinnten lugendlichen, Studenten, Publizisten und Literaten. Die Situationsethik ist eine typisch neuzeitliche Erscheinung; weniger eine scharfumrissene Theorie als eine im Lebensgefühl des modernen Menschen wirkende Ausrichtung auf das Einmalige der gelebten Situation, wobei der Nachdruck auf die persönliche Gewissensentscheidung fällt, ohne Rücksichtnahme auf allgemeine moralische Prinzipien oder Gesetze. Sie ist eine Reaktion gegen eine bourgeoise und konventionelle Entstellung des Christentums und hängt mit dem Existentialismus, besonders mit der Ueber-betonung des Personalismus, zusammen. Dazu gesellt sich in manchen Essays und Romanen eine gewisse „Sündenmystik“, die mit Vorliebe das Felix-culpa-Thema abwandelt und dabei zuviel Nachsicht für eine sogenannte tragische Sünde zeigt.

Auch Dietrich von Hildebrand befaßt sich eigentlich nur mit den extremsten Thesen dieser Ethik, die er eingehend behandelt und widerlegt. Im Zusammenhang mit der Sündenmystik erwähnt er anfangs Mauriac, Evelyn Waugh, Graham Greene, Jean Genet und später einmal Gertrud von Le Fort, aber sonst haben seine Darlegungen eher einen rein sachlichen Charakter, so daß der interessierte Leser nie genau erfährt, wo und wie sich diese Ethik in concreto — in ihren extremsten und gemäßigteren Formen — äußert. Das Werk erschien bereits 1955 in englischer Sprache; die vorliegende deutsche Fassung besorgte Heinrich Stephan.

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Christentum schlechthin. Von C. S. Lewis. Deutsch von Brigitte Bernard-Salin. Verlag Jakob Hegner, Köln und Ölten. 274 Seiten.

Der Verfasser dieser ursprünglich über den englischen Rundfunk gesendeten und später für den Druck ergänzten Vorträge ist Anglikaner, der in dieser überaus verständlichen und sehr ernst zu nehmenden Darstellung der christlichen Dogmatik

und Sittenlehre den Versuch unternimmt, ein anerkanntes, allgemeingültiges und zentrales Christentum, ein Christentum „schlechthin“, zu skizzieren. Die berechtigte Befürchtung, daß eine derartige Darstellung den strittigen Fragen aus dem Weg gehe, so daß ein nichtssagendes, blutloses Nebelgespinst übrigbleibt, hat der Verfasser im Vorwort nicht nur vorweggenommen, sondern besonders in seinen eigentlichen Ausführungen entkräftigt, denn es zeigt sich, daß er vor ausgeprägten „dogmatischen“ Formulierungen und Ansichten nicht zurückschreckt. Wie der Atheismus sich als zu einfach erwiesen hat, lehnt der Verfasser ein sogenanntes „Limonadenchristentum“ ab, demzufolge es einen guten Gott gebe, aber damit sei dann auch alles in schönster Ordnung, weil es alle schwierigen und furchterregenden Lehren von der Sünde, der Hölle, dem Teufel und der Erlösung beiseite läßt. Demgegenüber vertritt Lewis den unmißverständlichen Standpunkt, daß zum Beispiel die Lehre des Dreiei'nigen Gottes, der Menschwerdung des Logos und der Notwendigkeit von Taufe, Glaube und Eucharistie zum Wesen dieses Christentums gehören. Er sagt, als hätte er die Kirchenväter gelesen, ganz klar: „Gottes Sohn ist Mensch geworden, damit die Menschen Kinder Gottes werden“, das Leben des erlösten und neuen Menschen ist nicht nur etwas Geistiges oder Moralisches, die christliche Sittenlehre verliert sich nicht in nichtssagende Allgemeinheiten, sondern stützt sich auf die theologischen Tugenden, und das Gebot: „Seid vollkommen“ ist für ihn ein klar umschriebener Befehl und keine idealistische Phrase. Beinahe alles, was der Verfasser nach reifer Ueberlegung in allgemeinverständlicher Art über die christliche Lehre sagt, trägt den Charakter des Echten und Unverfälschten, und wenn es auch wahr ist, daß — wie er selbst zugibt — einiges nicht zur Sprache kommt, so bedenke man, daß diese Anleitung nicht in einen eigentlichen Wohnraum, sondern in eine Eingangshalle führen will. Wir hoffen mit dem Verfasser, daß es ihm gelingen möge, den einen oder andern in diese Vorhalle einzuführen.

Vom Geist der Heiligkeit. Von Jean Camus. Aus den Erinnerungen des Jean Pierre Camus, Bischof von Belley, an den heiligen Franz von Sales. Matthias-Grünewalt-Verlag, Mainz. 297 Seiten. Preis 8.25 DM.

Der Verfasser dieses Werkes ist der 1584 geborene Franzose, der mit 25 Jahren zum Bischof von Belley ernannt wurde. Er verfaßte nahezu 200 Bücher, vor allem fromme Romane, doch nur eines seiner Werke hat ihn überlebt, nämlich diese 1639 erschienenen Erinnerungen an den großen Bischof von Genf, dessen Freund er war. Das Werk ist ein bunte Sammlung von Aussprüchen, Gesprächen, Predigten, Taten und Erlebnissen des Franz von Sales. Sie wurden von einem bewundernden Schüler und einem manchmal

sehr indiskreten Freund aufgezeichnet und strafen Lügen m diesem Fall den bekannten Ausspruch, daß ein großer Mann in den Augen seines Kammerdieners klein ist. Wer die berühmten Werke „Theotimus“ und „Phil'othea“ noch nicht kennt, findet in dieser Sammlung frommer Anekdoten eine richtige Anleitung, die es ihm ermöglicht, die noch immer lebendige Salesianerspiritualität besser zu verstehen und zu würdigen; wer jedoch den heiligen Franz von Sales bereits als Seelenführer entdeckt hat, wird den großen Heiligen auf Grund dieser „Worte und Taten“ auch als einen liebenswürdigen, gebildeten und schöngeistigen Menschen kennenlernen, kurzum als den Begründer jener Bewegung, die H. “Bremond „l'Humanisme devot“ genannt hat. Neben der wertvollen Einleitung, für die Ingeborg Klimmer verantwortlich zeichnet, betrachten wir den prachtvollen Brief — in neuer Uebersetzung — der heiligen Johanna von Chantal über Franz von Sales als eine Bereicherung dieser Ausgabe. Der beste Beweis für die Aktualität dieser Schrift ist die Tatsache, daß diese Ausgabe sich im wesentlichen an der Auswahl und Uebertragung hält, die bereits Lvor mehr als hundert Jahren bei den Mechitaristen in Wien (1830) erschienen ist.

Irenaus: Geduld des Reifens. Auswahl und Uebertragung von Hans Urs von Balthasar. Sammlung Sigillum Nr. 6. lohannes-Verlag, Einsiedeln. 103 Seiten.

Die große Gefahr, der sich die junge Kirche ausgesetzt sah, war die Gnosis, die sich in tausendfach schillernder Geheimwissenschaft einzuschmeicheln versuchte und das schlichte Wort des Evangeliums in ein magisches Wissen prickelnder Spekulationen verwandelte. Nachdem schon Paulus und Johannes den Kampf gegen diese Verirrung eingeleitet hatten, trat um 180 Irenaus, Bischof von Lyon, entschieden dagegen auf, indem er die fünf Bücher „Adversus Haereses“ und die „Demonstratio praedicationis apostolicae“ verfaßte. Aus diesen Schriften hat Hans Urs von Balthasar in ausgezeichneter Uebertragung eine Auswahl getroffen, die uns nicht nur kirchengeschichtlich, sondern vor allem dogmatisch und apologetisch bereichert. Die Art, wie Irenaus den Kampf führt, ist auch für unsere Zeit ein Beispiel positiver Glaubensverteidigung: „Er widerlegt schon, indem er entlarvt, und noch tiefer, indem er die Wahrheit darstellt. Er sucht nicht syllogistisch zu überreden, er läßt die Wahrheit wie eine Sonne leuchten und wärmen. Er hat die Geduld der Reife.“

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