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WALTER HAUSER / DAS GESPRÄCH ALS BASIS

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Wenn es im Nationalrat stürmische Szenen gibt und die Regierungspartei die hochgehenden Wogen beruhigen will, geht meistens ein Abgeordneter zum Rednerpult, ein Parlamentarier, an dem alle Fraktionen die Fähigkeit zur ruhigen Argumentation und den Willen zum Ausgleich schätzen: Dr. jur. Walter Haus er. „Ich habe mir wirklich geschworen, in dieser Art zu wir-

ken. Es ist keine Kunst, aufzuputschen. Das Mitdenken mit den anderen zählt zum Wesen des Parlamentarismus. Die parlamentarische Diskussion soll keine laue Suppe sein, aber ich sehe eine gewisse Gefahr im aufreizen' des Dialogs.“ Hauser erklärt- weiter: „Vielleicht ist diese meine Art parlamentarischer Arbeit dadurch etwas geformt worden, daß ich aus dem Lager der Sozialpartnerschaft komme. Der große Unterschied zwischen diesem Bereich und dem Parlament ist der, daß im Bereich der Sozialpartnerschaft Recht nur durch Übereinstimmung geschaffen werden kann. Ein Kollektivvertrag kommt nur zustande, wenn sich beide Seiten einig sind. Das Gespräch ist die Basis dieses Wirkens.“

In den Bereich der Sozialpartnerschaft kam der 1922 geborene Wiener unmittelbar nach der Beendigung seiner Studien, 1947. In diesem Jahr trat er in die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft ein, in die Arbeitgeberabteilung der Industriesektion. Kollektivvertragspolitik und Verhandlungen mit den Gewerkschaften zählten von An-

fang an zu seinem Aufgaben-kreis. Auf diesem Sektor des permanenten Aufeinanderprallens wirtschaftlicher und sozialer Gegensätze erwarb sich Hauser die Erfahrung, die Ruhe, die Vertrautheit mit den Anliegen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber, die er jetzt im Parlament verwertet. „Von Seiten der Industrie“ forderte man ihn schließlich auf, den Sprung von der Ebene der Interessenverbände auf die Ebene des Parlaments zu wagen. 1962 wurde er im Wahlkreis Wien-Nordwest in den Nationalrat gewählt.

Im Nationalrat zunächst vor allem mit sozialpolitischen Fragen beschäftigt, wurde Hauser bald zu einer Hauptstütze des ÖVP-Klubs. Die Freistellung von seiner Tätigkeit als Sekretär der Bundeswirtschaftskammer ermöglicht es ihm, seine Abgeordnetenfunktion als „Vollprofi“ auszuüben. Kaum ein anderer Abgeordneter ist in so vielen Ausschüssen führend tätig. Hauser ist Obmann des Justizausschusses und befaßt sich außerdem mit wirtschafts-, finanz-, verfassungs- und sozialpolitischen Problemen.

Seit dem 6. März 1966 und seit der Bildung der Einparteienregierung ist das Parlament „aufgewertet“. Neben dem Novum der Konfrontation der Regierung mit einer starken Opposition ist noch eine zweite Situation im Parlament neu, fließend, noch nicht ausdiskutiert: Das Verhältnis zwischen Regierung und Parlamentsklub der Regierungspartei. „Ich glaube, daß die Regierung da noch lernen muß, weil die Flut der Vorlagen, die uns in der jüngsten Vergangenheit ins Haus geflattert kamen, mir nicht mehr zu bewältigen zu sein scheint. Die Notwendigkeit der Beschränkung auf das Wesentliche wird deutlich. Ich fürchte, Parlamentarismus und Demokratie würden dann Schaden erleiden, wenn wir gezwungen wären, aus Zeitnot oder Überdruck vom Adminitsra-tiven her die Arbeit in einem solchen Tempo zu leisten, daß zumindest nicht mehr Rücksicht auf oppositionelle Wechselrede möglich wäre. Und das schiene mir als ganz gefährliche Entwicklung.“ Das sind die Worte, die ein Praktiker des Parlamentarismus an die Regierung richtet.

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