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Wischi-Waschi: Ursachen und Folgen

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Die Erklärung der Bischöfe bietet durchaus Möglichkeiten, die mit Phantasie und Mut genützt werden sollten.

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Die Erklärung der Bischöfe bietet durchaus Möglichkeiten, die mit Phantasie und Mut genützt werden sollten.

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Mit Enttäuschung und Zorn reagierten Aktivsegmente . katholischer Reformgruppen auf die in der Tat recht dürftigen Ergebnisse der jüngsten Bischofskonferenz. Dabei verstärkt sich der Eindruck, daß die reformfreundlichen Bischöfe noch immer über keine hinreichende Strategie verfügen, daß sie viel zu individualistisch und ohne erkennbare gemeinsame Entschlossenheit agieren. Der Preis dieser Vereinzelung ist hoch. Denn das Ausbleiben konkreter Verhandlungserfolge ist nicht nur von der Sache her nachteilig und für die Kirche in Österreich gefährlich, sondern langfristig gesehen steht auch die Glaubwürdigkeit der beteiligten Amtsträger auf dem Spiel. Manche Indizien deuten darauf hin, daß diese Konsequenzen von Wortführern der Obstruktionsfraktion in der Bischofskonferenz durchaus beabsichtigt sind.

Eines muß freilich hinzugefügt werden: Selbst mit Engelszungen und meisterhaften strategischen Schachzügen könnten die gegenwärtigen Auffassungsunterschiede in der Bischofskonfrenz nicht einfach in Luft aufgelöst werden. Und da Bischöfe nicht verhalten werden können, sich der Meinung ihrer Amtskollegen anzuschließen, kommt es zu einem Patt, wie es sich in der überwiegend unverbindlichen 10-Punkte-Erklärung der Bischofskonferenz widerspiegelt.

Südtirol-Frage war ähnliche Zwickmühle

Diese Situation erinnert mich an die Situation nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, als die Alliierten die Rückkehr Südtirols zu Österreich ablehnten. Prompt kam es zu Protestdemonstrationen, und als auch diese nichts halfen, senkte sich verbreitete Resignation über das Land. In dieser Lage unterzeichnete der damalige österreichische Außenminister Karl Gruber einen Vertrag mit Italien, der die Preisgabe Südtirols zur Kenntnis nahm, aber immerhin die Autonomie Südtirols festhielt -allerdings mit recht dehnbaren Wi-schi-Waschi-Bestimmungen. Gruber wurde als Verräter beschimpft, und in Innsbruck erhielt er auf offener Straße ein paar Ohrfeigen. Heute wissen wir, daß dieser an sich schwache Vertrag für die Südtiroler um Landeshauptmann Silvius Magnago zur Grundlage wurde, mit Geschicklichkeit und Beharrlichkeit fast alle Wünsche der Südtiroler durchzusetzen.

Innerkirchlich stehen wir heute vor einer ähnlichen Zwickmühle. Wir alle wissen, daß selbst mit Brecheisen und Vorschlaghammer zur Zeit keine österreichweite Kirchenreform durchzusetzen ist, ganz abgesehen davon, daß Gewaltstreiche mit der Forderung nach einer „geschwisterlichen Kirche” nicht in Einklang zu bringen wären. Darum müssen Ideen wie ein Volksbegehren gegen die Kirchensteuer - sozusagen als „Strafe” gegen die bösen Bischöfe - oder auch das Projekt einer gesamtösterreichischen Kirchenversammlung ohne Bischöfe bei nachdenklichen Katholiken Skepsis auslösen.

In dieser Situation brauchen wir in der Kirche viele Männer, Frauen und Jugendliche vom Schlag eines Silyius Magnago, die sich auch in düsteren Zeiten weder in eine grundsätzliche Protesthaltung noch in die Resignation hineintreiben lassen. Vielmehr geht es jetzt darum, jede Chance zu nützen, um den Prozeß der kirchlichen Erneuerung auf allen Ebenen weiter voranzutreiben.

Ein wichtiger Ansatzpunkt scheint mir dafür in der Erklärung der Bischofskonferenz jener Passus zu sein, in dem es den österreichischen Diözesen in einer ganzen Reihe wichtiger Themen - von den Frauenkommissionen bis zur Diskussion des Priestermangels - freigestellt wird, neue Wege zu gehen. Diese Möglichkeit sollte mit Phantasie und Mut genützt werden. Wenn sich da Erfolge einstellen, wird nicht einmal der eigensinnigste Oberhirte einer Nachbardiözese diesen Windhauch des Geistes abschirmen können.

Die offene Frage lautet somit, ob sich jetzt in unserem Krrkhenvolk die Realos oder die Fundis durchsetzen werden. Ob die Parole „Alles oder nichts” tonangebend wird.

Oder die Einsicht, daß es angesichts der Realitäten in unserer Kirche wohl der einzige erfolgversprechende Weg ist, mit nicht zu brechender Festigkeit, mit Augenmaß und nicht erlahmender Zähigkeit daran zu gehen, Leben und Gesetz in unserer Kirche wieder in möglichsten Einklang zu bringen.

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