Wem begegnet man, wenn man dieser Tage auf der "smaragdenen Insel" Irland ein wenig Umschau hält? Stimmt: einer Debatte über Neutralität. Der weltweite Terror-Diskurs hat alle europäischen Staaten, die sich einer Neutralitätspolitik verschrieben haben, wieder einmal aufgeschreckt.
Dabei trifft im Fall Irland zu, was ja für Österreich nicht gilt: Es will nur eine Neutralitätspolitik führen - kein internationales Neutralitätsrecht in Anspruch nehmen. Schweden und Finnland wieder haben Bündnisfreiheit gelobt, was wieder etwas anderes als die österreichische Variante ist oder zumindest war. Freilich: Dass heute auch von der österreichischen Neutralität nur noch die Bündnisfreiheit übrig geblieben ist, gilt bereits als ziemlich unbestritten. Völlig unbestritten ist, dass sich der Inhalt der österreichischen Neutralität seit 1955 grundlegend geändert hat.
Nicht geändert hat sich freilich der Wortlaut des Neutralitätsgesetzes. Das zeigt schon die Windigkeit der ganzen Argumentation, die eigentlich nur der Verschleierung der Tatsache dienen soll, dass Österreich kein neutraler Staat mehr ist. Nicht nur ein Beschluss des UN-Sicherheitsrates, sondern auch eine Ermächtigung durch den militärischen Arm der Europäischen Union gilt heute als Aussetzung der Neutralitätspflichten. In Europa sind wir nicht mehr neutral. Wozu also überhaupt noch? Damit wir nicht in einen Krieg zwischen Indien und Pakistan oder zwischen Äthiopien und Eritrea verwickelt werden können? Aber dazu könnte uns keine Macht der Welt zwingen, auch nicht als NATO-Mitglied!
Was heute noch immer eine Mehrheit der Österreicher zum Festhalten an der Neutralität veranlasst, ist eine grobe Selbsttäuschung: Man will sich aus unangenehmen Konflikten heraushalten, eine möglichst umfassende Sicherheitsgarantie möglichst zum Nulltarif (und jedenfalls nicht um den Preis neuer Abfangjäger) haben. Die aber gibt es nicht. Das traut sich allerdings kaum ein Politiker den Österreichern zu sagen, und diese sind in ihrer Mehrheit einfältig genug, sich darüber zu freuen.
Hubert Feichtlbauer ist freier Publizist und Vorsitzender der Plattform "Wir sind Kirche".
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