Viel mehr als nur der vielzitierte Weckruf

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Der einstige ÖVP-Obmann Erhard Busek über das rot-schwarze Debakel bei den Präsidentschaftswahlen - und wozu er der Regierung dringend rät.

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Der einstige ÖVP-Obmann Erhard Busek über das rot-schwarze Debakel bei den Präsidentschaftswahlen - und wozu er der Regierung dringend rät.

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Über die elementare Bedeutung des Wahlergebnisses vom 24. April zu philosophieren, ist überflüssig. Wer es nicht verstanden hat, dem ist nicht zu helfen. Nicht zu helfen wird auch jenen sein, die sich jetzt in Personaldebatten flüchten. Jeglicher Obmann-Wechsel bei den Regierungsparteien führt sicher nicht weiter, denn nicht nur Personen können ein Problem darstellen. Dieses liegt vielmehr in der Tiefe, in der Art, wie bislang Politik gemacht wurde. Denn die beiden Regierungsparteien suchten bei der Flüchtlingsfrage, aber auch bei anderen Problemen, die Zuflucht in der Angstmache. Von einer Regierung erwarte ich mir aber, dass sie mir Angst nimmt, nicht Angst macht. Allein schon die Wortwahl, wie etwa "Festung", "Zäune","mehr Mittel für Militär und Polizei", ist ja aufschreckend. Daher wäre dringend ein Themenwechsel notwendig.

Geld für Militär statt für Bildung

Mich beeindruckt, wie binnen kurzer Zeit jeweils über eine Milliarde für Polizei und Bundesheer verfügbar ist, während man im notleidenden Bildungsbereich nicht einmal die Lehrerbesoldung garantieren kann. Stattdessen verzettelt man sich weiter in Organisationsfragen. Andererseits kann man sich nicht vorstellen, dass Menschen etwa zwei Jahre länger arbeiten, obwohl sie dazu in der Lage wären und wir ihre Erfahrung bräuchten. Gleiches gilt in puncto Anreize für Innovation und Engagement. Es war schon eine einmalige Sonderleistung, den NGOs, die sich in der Flüchtlingsfrage engagierten, anzudrohen, dass sie ihre Spenden bekannt geben müssen, um diese Beträge von der öffentlichen Förderung abgezogen zu bekommen. Ich erinnere daran, dass es auch einmal Zeiten gab, wo der Staat Spendenaufkommen verdoppelt hat.

Damit sind wir aber auch bei der Vorgehensweise des Staates, der die Kontrolle auf Kosten der Freiheit erhöht. Registrierkassen sind zu bewältigen, aber es ist von fünfzehn bis zwanzig Kontrollen zu hören, die ein Wirt über sich ergehen lassen muss. Darin ist keine Motivation zu sehen, sondern die Aufforderung, diesen Sektor zu verlassen. Das Misstrauensprinzip hat Einzug gehalten, obwohl gerade das Vertrauen ein konstruktives Element gesellschaftlichen Zusammenwirkens ist. Es wäre zu überlegen, ob man Minister nicht dazu anhält, nicht darüber zu berichten, welche neuen Gesetze, Verordnungen etc. sie geschaffen haben, sondern was sich in Wirklichkeit erübrigt hat.

Unglückliche Personenauswahl

Ein weiteres Kapitel ist die Personenauswahl. In vollem Respekt für das Engagement der Kandidaten muss gesagt werden, dass SPÖ und ÖVP mit Sicherheit nicht die richtigen erwischt haben. Das allein ist aber nicht die Ursache des 24. Aprils. Natürlich wird jetzt von einem abgewählten System gesprochen. Es ist sicher richtig, dass wir uns auf neue Koalitionen einstellen müssen. Es würde aber schon genügen, wenn die Personenauswahl lebendiger würde, die Programme sichtbarer und die Umsetzungszeiten kürzer. Man sollte einmal eine Liste von Themen erstellen, die Dauerbrenner sind, ohne dass etwas geschieht: Von der Verwaltungsreform über den Bildungsbereich bis hin zu den Innovationen. Alle, die eine Unternehmensgründung oder sonstige Veränderungen anzupacken versuchen, berichten von entnervender Bürokratie und Normierung.

Auch mit dem Sicherheitsthema hat die Regierung übertrieben. Der neue Verteidigungsminister scheint ein respektabler Mann zu sein, aber die dringende Sehnsucht nach mehr Panzern und Kampfhubschraubern kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass man Terrorattacken, wie sie in Brüssel und in Paris passiert sind, damit sicher nicht verhindern kann. Hier führt auch die ständige Belehrung der anderen Europäer nicht weiter. Man sollte sich im Gegenteil dafür engagieren, dass es eine echte Kooperation gibt. Es ist einfach lächerlich, wenn der Reihe nach Regierungsvertreter auch unserer Nachbarländer in den Medien klagen, dass es keinen Informationsaustausch gibt. Es wäre eher eine Sache der zahllosen Sitzungen, dafür zu sorgen.

Millionen für Massenblätter

Jedenfalls bedarf es rascher und überzeugender Handlungen, die auch in der Öffentlichkeit entsprechend vertreten werden müssen. Die Regierungsparteien dürfen sich überlegen, was sie mit ihrem Millionensponsoring für Massenblätter erreicht haben. Im Ernstfall schreibt die Krone doch für die FPÖ. Das politische Interesse der Bürgerinnen und Bürger des Landes ist da, wie ich immer wieder erlebe. Deshalb sollte es wieder stärker die Möglichkeit geben, mit "seinem" Abgeordneten zu reden. Offensichtlich aber fehlt die offene Ansprache, der Austausch von Standpunkten und das Angebot von Lösungen. Den beiden gegenwärtigen Regierungsparteien wird dringend empfohlen, die Demokratie wieder zu entdecken.

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