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Die religiösen Kräfte der Gegenreformation

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Die Kirche im Zeitalter des konfessionellen Absolutismus (1555—1648). Von Karl Eder. (Kirchengeschichte unter Mitwirkung von Fachgenossen herausgegeben von J. P. Kirsch, III. Band, 2. Hälfte.) Verlag Herder, Wien. XVII und 459 Seiten.

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Die Kirche im Zeitalter des konfessionellen Absolutismus (1555—1648). Von Karl Eder. (Kirchengeschichte unter Mitwirkung von Fachgenossen herausgegeben von J. P. Kirsch, III. Band, 2. Hälfte.) Verlag Herder, Wien. XVII und 459 Seiten.

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Mit freudiger Erwartung bin ich an die Lektüre dieses großen Werkes henngegangeh. Ist doch Professor Karl Eder, heute Ordinarius für neuere Geschichte in Graz, wie selten jemand legitimiert, ein großes und zusammenfassendes Geschichtswerk über den Zeitabschnitt zu schreiben, der für gewöhnlich das Zeitalter der Gegenreformation genannt wird, bei dem aber der Autor das charakteristische äußere Moment im höfischen Absolutismus sieht. Hat doch die Reformation Luthers die Macht der weltlichen Territorialfürsten wesentlich gestärkt und das Verhältnis von Kirche und Staat, das sich im Laufe des Spätmittelalters immer mehr zuungunsten der Kirche verlagert hatte, so entscheidend verschoben, daß das furchtbare Guius regio eius et religio am Endpunkte dieser schicksalshaften Entwicklung steht. Es war daher das Herzensanliegen des Verfassers, jene religiösen Kräfte aufzuzeigen, die dem äußeren weit- und kirchenpolitischen Geschehen zugrunde lagen. Diese Kräfte waren schon seit langem in aller Stille wirksam, aber sie waren zersplittert und wurden zu Beginn der Reformation von der lauten Propaganda Luthers und seiner Anhänger über- rannt und zugedeckt, aber nicht vernichtet. Zur einheitlichen Wirkung gelangten sie erst, als das Papsttum sie sammelte und dem religiösen Abfall als wirkliche Erneuerung entgegenstellte. Höhepunkt und Vollendung dieser innerkirchlichen Reform bildet schließlich das Konzil von Trient, das di dogmatische Klarstellung als vordringlichste Aufgabe gegen den Protestantismus und die allgemein verbreitete Religionsmengerei ansah, aber auch im innerkirchlichen Bereich das Ziel aller Reformkonzilien des späteren Mittelalters endlich doch verwirklichte, weil es deren Formalismus, ihre Veräußerlichung und antipäpstlichen Tendenzen innerlich überwand. So ist das Tridentinum nach außen hin ein Abschluß, aber auch zugleich der Beginn der äußeren Wiedereroberung der an die Glaubensneuerer verlorenen Welt, die das Zeitalter der sogenannten Gegenreformation bildet. Die Rückgewinnung der katholischen Gebiete ist daher die natürliche Folge des erneuerten Glaubens, und wenn die neugestärkte Kirche sich bei ihrer äußeren Aktion politischer Kräfte und Mittel bediente, um die Welt wieder für Christus zu gewinnen und sie zu der von ihm gestifteten Kirche zurückzuführen, so tat sie im Grunde nichts anderes, als was schon Gregor VII. in seinem Reformprogramm, dem Dictatus Papae, als seine Aufgabe ansah, wenn er verkündete, daß auch die staatliche Welt Christus und der Kirche zu dienen habe. Es ist daher vollkommen berechtigt, wenn Professor Eder gegen diese veräußerlichte und laisierte Auffassung der Gegenreformation als rein politische Re-aktion Stellung nimmt und seinen Protest schon im Buchtitel zum Ausdruck bringt. Ob sich aber die vom Autor gewählte Bezeichnung dieser Epoche der Weit- und Kirchengeschichte durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Das neue Buch von Hubert Jedin, Katholische Reformation oder Gegenreformation?, dürfte jedenfalls auch das seine zur Klärung der umstrittenen Begriffe beitragen.

Unberührt von dieser terminologischen Streitfrage bleibt der sachliche Gehalt des Werkes. Man kann ohne Übertreibung behaupten, daß es die hochgespannten Erwartungen wirklich erfüllt und daß es sowohl in formaler wie inhaltlicher Beziehung ohne Parallele in der neueren Geschichtsschnei bung ist. In der Skizzie. rung der vielfältigen Reformansätze hebt er mit fester Hand gleich am Anfang des Buches die Person und die Stiftung des heiligen Ignatius von Loyola heraus und gibt ihnen den Platz, der ihnen ihrer Wirkung nach in der Geschichte zukommt. Dieser Abschnitt ist auch in formaler Hinsicht eine der glänzendsten Partien des Buches, eine wahre Perle historiograph-ischer Darstellungskunst. Den Höhepunkt bildet aber die Schilderung des Konzils von Trient, das auf solchem Niveau überhaupt noch keine derartige Würdigung in seiner „Ganzheitsschau“, in der markanten Charakteristik seiner sachlichen Leistung und in seiner weltgeschichtlichen Fernwirkung gefunden hat. Sehr beachtenswert ist endlich das Kapitel über die Eigenart des neuen Katholizismus, das neue katholische Lebensgefühl und die Schwächen und Unterlassungen der Gegenreformation, die dann im Barockkatholizismus zur vollen Auswirkung gelangen sollten. Der geistigen Architektonik des Werkes entsprechend, sind gut drei Viertel des Buches den inneren Kräften des Weltanschauungskampfes dieser Zeit und nur ein schwaches Viertel dem äußeren Ablauf der politischen Er- eignisse gewidmet. Ferd.

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