Glaubenskrieg - um Gottes Willen!

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Auf ein Wort

Die Älteren von uns erinnern sich: Was haben wir einst für "Biafra“ gespendet und in unseren Kirchen für jenen jungen Staat der christlichen Ibos gebetet, der sich 1967 aus dem großen Nigeria herausgesprengt hatte. Er überlebte nicht. Genau heute sind es 41 Jahre, dass er kapitulierte. Geblieben sind Zahlen - eine Million Tote - und die Bilder der "Biafra-Kinder“, verhungernde Skelette.

Vier Jahrzehnte später wird jetzt in unseren Kirchen wieder für das Überleben von Christen gebetet: im Orient (Ägypten, Syrien, Irak, Saudi-Arabien), in Afrika (Nigeria, Sudan) und anderswo. Von der schlimmsten Christenverfolgung seit Stalins Gulags und Hitlers KZs sprechen Beobachter. Die religiöse Intoleranz steige weltweit - und drohe vielerorts zum Flächenbrand zu werden.

Erschreckende Opferzahlen

Tatsächlich: siebzig Prozent der Weltbevölkerung leben in Ländern mit eingeschränkten religiösen Freiheiten. Etwa achtzig Prozent der Betroffenen sind Christen - in über fünfzig Ländern. Von Ostasien über den Orient bis Schwarzafrika. Es sind Christen, die nicht durch Migration zum Problem wurden, sondern - siehe Ägyptens Kopten - zur Urbevölkerung zählen. Die Meldungen über Mordanschläge, Vertreibungen, Brandlegungen - im digitalen Netz blitzschnell verbreitet - haben uns durch die Weihnachtszeit begleitet. Die Opferzahl dieser Tage war erschreckend.

Und das trotz permanenter Religionsdialoge. Trotz aller Beschwörung unserer globalen Schicksalsgemeinschaft. Und trotz des Zweiten Vaticanums, das uns Christen eine neue Geschwisterlichkeit im Kontakt mit anderen Weltreligionen geschenkt hat. Längst wissen wir ja: Der Missbrauch des Religiösen bedroht den Weltfrieden weit stärker als jeder nukleare Sprengkopf. Christen und Muslime stellen heute mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung. Es geht also ums Ganze.

Die Frage nach den Wurzeln des Dramas kennt viele Antworten. Sie gehen tief in die unaufgearbeitete Geschichte zurück - und finden in der Gegenwart immer neue Nahrung: durch die Hybris "einzig wahrer“ Religionen und den "Hass auf die Ähnlichen“. Durch atheistische Ersatz-Religionen (Nordkorea, China). Durch Machtspiele und Wirtschaftsinteressen (Nahost). Aber auch durch Armut, Frustration und Ungerechtigkeit im Globalisierungsprozess (Afrika).

Es ist ein brodelnder Kessel, angeheizt auch von Dollar-Milliarden, die ein energiehungriger Westen an Öl-Fürsten zahlt, die sich damit das Wohlwollen religiöser Fanatiker und ihr eigenes Überleben erkaufen wollen.

Versäumnisse nach 9/11

Jetzt rächt sich, dass die Staats- und Religionsführer - alle! - nach dem Schock von 9/11 versäumt haben, gemeinsam vor die Welt hinzutreten und zu beschwören:

• dass Gewalt immer Verbrechen und Sünde ist - in jeder Religion;

• dass Frieden unter den Nationen - samt Gerechtigkeit, Sicherheit, Wohlstand - nicht ohne Frieden unter den Religionen zu haben ist;

• dass Schluss sein muss mit der Verlockung, sich bei der Schändung von Menschlichkeit auf Religion zu berufen;

• und dass die Zukunft nicht irgendwo fern von uns gestaltet wird, sondern durch jeden von uns.

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