Neue Friedensbewegung

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Dank World Wide Web & Co: Weltweiter Aufruhr kann heute im Nu geschürt werden. Daher ist es vordringlich, die Gegenbewegungen dazu zu vernetzen.

Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin." Solcher Slogan, bei Pazifisten im 20. Jahrhundert en vogue, klingt als hehrer Anspruch recht gut, hat(te) aber mit der Wirklichkeit leider selten zu tun. Krieg war, und es fanden sich immer genug Leute, die hingingen.

Soweit das 20. Jahrhundert. Was heutzutage unter "Krieg" firmiert, ist nicht mehr so eindeutig auszumachen. Jedenfalls hat es das beginnende 21. Jahrhundert mit einer Vielzahl von Phänomenen zum Thema zu tun: Abgesehen von "klassischen" (Bürger-) Kriegen, die in den Krisenregionen der Welt weiter gang und gäbe bleiben, haben sich globale Szenarien entwickelt, auf die die Terminologie "Krieg" ebenfalls angewandt wird: Die Supermacht führt "Krieg" gegen den Terror, Terroristen stehen im "Krieg" gegen denWesten, weiter gedacht könnte da auch der behauptete Clash of Civilizations als "Krieg" herhalten.

Solche Terminologie ist umstritten, aber als zeitgenössischer Pazifist mag man weiterdenken, wie es denn wäre, wenn bei diesen "Kriegen" niemand "hinginge". Jedes Nachdenken in solchem Bereich führt unweigerlich zur Diskussion globaler Kommunikationsstrukturen, derer sich moderne "Kriegstreiber" und "Konfliktschürer" bedienen können.

Um nicht im Abstrakten zu bleiben: Eine Islamistengruppe verbreitet eine Drohung gegen westliche Länder - zuletzt gegen Deutschland und Österreich. Das Ganze ist mit der entsprechenden Ikonografie ausgestattet, um der Drohung Nachdruck zu verleihen, das heißt: arabische Schriftzeichen, eine vermummte Gestalt, die die Verwünschungen gegen das Afghanistan-Engagement Deutschlands und Österreichs (auch wenn letzteres ganze vier Soldaten dorthin geschickt hat) loslässt und so weiter.

Ganz egal, ob solche Botschaft aus den Schluchten des Hindukusch kommt, aus einer Werkstatt todbereiter Selbstmordattentäter oder bloß von einer feuchtfröhlichen Studentenrunde, die mit geschmacklosem Spaß vorführt, wie leicht via World Wide Web Informationen zu manipulieren sind: Die Drohung schafft es in die Spitzenmeldungen der Medien, in den betroffenen Ländern tagen Krisenstäbe, die sich mit der Frage herumschlagen, ob sie einem realen Szenario gegenüberstehen oder bloß einer Schimäre aus der virtuellen Wirklichkeit aufsitzen. Fürs unmittelbare Ergebnis sind die Hintergründe gar nicht so relevant. Denn das allgemeine, sehr diffuse Gefühl der Bedrohung, die dumpfe Angst vor einer islamischen Gefahr für die (freie) Welt, wird so oder so verstärkt. Es gibt, so scheint es, auch kein Gegenmittel, das unmittelbar wirkt.

Um beim Eingangszitat zu bleiben: Was wäre also, wenn - virtuell - "Krieg" ist, aber keiner hingeht? Man muss nüchtern konstatieren, auch mit der aktualisierten Form des alten Antikriegs-Slogans ist nicht viel Staat zu machen: Die Vorstellung, dass, würde niemand die virtuellen Drohungen aufnehmen und weiterverbreiten, selbige ihr Droh-Potenzial weitgehend einbüßen würden, ist zwar nicht von der Hand zu weisen. Aber weder die klassischen Gesetzmäßigkeiten der Medien noch die weit schwerer zu fassenden Mechanismen globaler Kommunikation via World Wide Web & Co lassen solche - im Prinzip sinnvollen - Beschneidungen des Informationsflusses zu.

Heißt das also, dass die Missbraucher der globalen Kommunikationsvernetzung in jedem Fall die Oberhand behalten, es sei denn man versucht - wie es moderne Diktaturen à la China längst tun -, das Internet zu kontrollieren und dessen Freiheit rigoros zu beschneiden? Abgesehen davon, dass - Gott sei Dank - solche Strategie kaum aufgehen kann: Wie wäre es, wenn sich den virtuell explodierenden Drohgebärden und politischen wie religiösen Gewaltfantasien eine Art globaler Zivilgesellschaft entgegenstellt? Dass - man denke nur an den Karikaturenstreit vor einem Jahr - weltweiter Aufruhr heutzutage im Nu zu schüren ist, hat die Welt schon bitter erfahren. Es muss aber ebenso möglich sein, im Zeitalter von Blogs und vieler weiterer virtueller Räume, eine Vernetzung der Gegenbewegungen zu den Gewaltbereiten der Welt anzugehen. So gesehen wäre eine neue Friedensbewegung notwendig - und auch möglich, mit dem Anliegen: Es mag virtueller "Krieg" sein, aber viele gehen hin und zeigen, warum dieser ganz und gar nicht sein muss.

otto.friedrich@furche.at

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