Nachhaltigkeit: Einkaufen reicht nicht

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Macht es Sinn, beim Einkauf auf Fair Trade und Nachhaltigkeit zu achten? Autorin Kathrin Hartmann wittert Gewissensberuhigung. SPAR-Unternehmenssprecherin Nicole Berkmann widerspricht. Ein Streitgespräch.

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Macht es Sinn, beim Einkauf auf Fair Trade und Nachhaltigkeit zu achten? Autorin Kathrin Hartmann wittert Gewissensberuhigung. SPAR-Unternehmenssprecherin Nicole Berkmann widerspricht. Ein Streitgespräch.

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Für immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten spielt nicht nur die Qualität eines Produktes eine Rolle, sondern auch die Frage, unter welchen Bedingungen es hergestellt und transportiert wurde. Neben ökologischen Kriterien achten manche Kunden also auch auf faire Arbeitsbedingungen bei der Herstellung. Jener Gruppe, die dies besonders kultiviert, hat man mittlerweile einen Namen verpasst: LOHAS ("Life style of health and sustainability", also Lebenstil für Gesundheit und Nachhaltigkeit). Das "Einkaufen ohne Gewissensbisse" wurde aber nachhaltig infrage gestellt. Ende 2009 publizierte die Münchner Journalistin Kathrin Hartmann ihr Buch "Das Ende der Märchenstunde" und versucht darin aufzuzeigen, dass Einkaufen allein zu wenig sei, Kunden zu oft Opfer von scheinheiligen PR-Aktionen der Firmen unter dem Deckmantel von "Corporate Social Responsibity" würden. Als Alternative schlägt Hartmann wieder mehr politisches Engagement vor, um Gesetze durchzubringen, die Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein fördern. Doch kann ethisch korrektes Einkaufen nicht wenigstens ein Beitrag sein, um dieses Ziel zu erreichen? Wie sollten sich Menschen nun aus der Sicht Hartmanns verhalten, sie müssen ja weiterhin einkaufen? Diese und weitere Fragen stehen im Zentrum des Streitgesprächs zwischen Hartmann und der SPAR-Konzernsprecherin Nicole Berkmann, das am Rande der Tagung "Nachhaltigkeit und Spiritualität" in St. Virgil in Salzburg Ende September über die Bühe ging. (Regine Bogensberger)

Die Furche: Kathrin Hartmann rechnet in ihrem Buch "Ende der Märchenstunde" die Heilsversprechungen der Großkonzerne exakt nach. Bis jetzt hat keiner der kritisierten Konzerne bzw. Anbieter Sie, Frau Hartmann, verklagt. Wie gefallen Ihnen, Frau Berkmann, diese Befunde?

Nicole Berkmann: Beim Lesen des Buches entstand bei mir der Eindruck, dass man als Konsumentin und als Konsument beim Einkaufen ja fast nichts richtig machen kann. Das glaube ich nicht! Es gibt Ansätze etwa im Bereich der Bio-Produkte, zum Beispiel die SPAR-Natur-pur-Bio-Produkte, die vom Anbau bis zu ihrem Eintreffen im Geschäft einem strengen Kontrollsystem unterliegen. Wir führen außerdem keine Eier aus Käfighaltung mehr. Das ist doch ein Lehrbeispiel dafür, wie es funktionieren kann.

Kathrin Hartmann: Das liegt doch nicht daran, dass sich die Konzerne freiwillig zu einem Umdenken entschieden haben. Das war schlicht und einfach der Druck der Konsumentinnen und Konsumenten und der Politik.

Berkmann: Nein, da muss ich heftig widersprechen! Ich war von Anfang an dabei, als Anfang der 90er-Jahre die Gentechnik Thema in den Medien war. Da haben sich alle Handelsketten, Lebensmittelhändler und Produzenten an einen Tisch gesetzt. Das war wirklich einmalig. Wir haben damals ein Kontrollsystem aufgebaut, weil wir gewusst haben: Wenn jetzt die Gentechnik nach Österreich kommt, dann kriegen wir das nie mehr in den Griff. Als studierte Biologin weiß ich auch, wovon ich hier rede.

Hartmann: Also gibt es bei SPAR-Österreich auch keine Produkte von Müller-Milch in den Regalen, die man per Gerichtsurteil nun tatsächlich auch "Genmilch" nennen darf?

Berkmann: Ich spreche hier von den Produkten der österreichischen Molkereien, die in der Zwischenzeit alle gentechnikfrei erzeugt sind. Klar haben wir Müller-Milch-Produkte im Sortiment # den stark nachgefragten Milchreis etwa. Über die ausländischen Produkte haben wir keine Kontrolle.

Die Furche: Woher kommt der Großteil von Obst und Gemüse bei SPAR?

Berkmann: Das Angebot von Obst und Gemüse ist stark von der Saison abhängig. Ein Großteil der Ware kommt aus Österreich, aber natürlich nicht alles.

Hartmann: In Österreich ist der Anbau und Konsum im eigenen Land ausgeglichener als in Deutschland. Es macht aber generell einen Unterschied, ob Konsumenten #bio# regional und saisonal angeboten bekommen und essen oder ob sie auch im Winter zur Bio-Erdbeere aus Südspanien greifen. Die haben sie doch auch im Regal, oder?

Die Furche: Tomaten in der Tomatenzeit und Erdbeeren in der Erdbeerzeit, das klingt vernünftig. Warum funktioniert das jetzt nicht mehr?

Berkmann: Gute Frage. Wenn wir von SPAR die Konsumenten befragen würden, käme die sozial erwünschte Antwort klar, nur saisonales Obst und Gemüse anzubieten ist super. Und dann kämen die Beschwerden, dass man doch auch im Winter Tomaten essen will. In Österreich haben wir nur einige Monate Tomatensaison, gutes Wetter vorausgesetzt. Eines versichere ich hier: Wenn es in Österreich Tomaten gibt, haben wir die aber der ersten Sekunde im Sortiment. Und wenn wir im Winter keine Erdbeeren anbieten würden, gingen unsere Kunden zur Konkurrenz.

Hartmann: Logisch, jetzt sind die Käufer an diese Vielfalt, die man ihnen jahrzehntelang anbietet, gewöhnt. Hier stellt sich doch aber die Frage nach Henne und Ei. Klar, ich sehe auch im Biosupermarkt im Winter Erdbeeren und im März Spargel. Viele Anbieter beklagen auch, dass es die Konsumenten sind, die den Bezug zum Essen verloren haben. Aber ist es nicht umgekehrt? Haben die Konsumenten nicht durch das Angebot immer weniger Ahnung davon, wann was regional wächst?

Berkmann: Klar, SPAR hat etwa im August häufig Beschwerden von Kunden, dass wir Äpfel aus Neuseeland anbieten. Wenn wir dann darauf hinweisen, dass in Österreich die Apfelernte erst im September beginnt und wir schlichtweg im August keine österreichischen Äpfel anbieten können, dann gibt es das berühmte "Aha, eigentlich eh klar.#"Konsumenten sind heute komplett überfordert.

Die Furche: Zusätzlich wird Konsumenten bei einigen Produkten auch noch gesagt, dass sie mit dem Kauf einer bestimmten Biersorte den Regenwald retten oder mit dem Kauf von konventionellen Bananen bei der Errichtung von medizinischen Einrichtungen helfen können. Ist das nicht bewusste Irreführung?

Hartmann: Genau. Greenwashing ist eine PR-Methode, die durch geschickte Kommunikation umweltschädliche Produkte oder Dienstleistungen als #grün# verkauft. Das ist ein Milliardengeschäft. Alle großen Konzerne haben mittlerweile die Werthaltungen "Nachhaltigkeit" und "Verantwortung" in ihre Selbstdarstellungen integriert. Dann erzählen sie beispielsweise den Konsumenten das Märchen, dass Flugmeilen den Hunger in der Dritten Welt beheben. Geld kann man nicht essen und die bessere Welt kann man sich auch nicht kaufen.

Berkmann: Das sehe ich gleich wie Sie, vor allem dann, wenn der Zusammenhang an den Haaren herbeigezogen ist. Wir bemühen uns, einen nachvollziehbaren Zusammenhang zwischen Spende und Produkt herzustellen. So haben wir zum Beispiel 140.000 Euro durch Verkauf von #Freezy Fridolin#, einem Produkt aus der Eis-Theke mit einer roten Kaugumminase, in den letzten fünf Jahren gesammelt und den Roten Nasen übergeben.

Hartmann: Eis, auch wenn man damit Gutes tut, ist ja per se mit dem vielen Zucker schon einmal nicht gut für Kinder. Generell ist doch das Gros der Produkte im Supermarkt nicht nachhaltig: Sie stellen doch bloß die Biotomate neben die Treibhaus-Tomate. Das meiste Fleisch kommt nach wie vor aus Massentierhaltung, das ist alles längst bekannt. Die Konsumenten, die viel wissen, wollen nicht immer auf genauso viel verzichten. Denen hilft es dann schon für ihre Gewissensberuhigung, dass irgendwelche Cent des Einkaufspreises der geliebten Fischstäbchen an ein WWF-Meeresschutzprojekt gehen.

Die Furche: Könnte es sich SPAR leisten, diese Fischstäbchen aus dem Sortiment zu nehmen?

Berkmann: Wir haben gemeinsam mit Greenpeace eine Fischeinkaufspolitik entwickelt. SPAR-Österreich hat Schwertfisch ausgelistet, wir haben uns diesem Prozess gestellt, dabei auch die Schillerlocke ausgelistet. Dorsch können wir nicht auslisten, der ist des Österreichers Lieblingsfisch in jedem Fischstäbchen. Jede Diskussion, die das Thema aufgreift, hilft auch uns als Anbieter.

Hartmann: Ich glaube nicht an die kritische Masse der Konsumenten. Nachhaltigkeit sei super, sagt man mir und verzehrt dabei ein Lachsteak. Wenn man auf die jetzt billigen Fischstäbchen alle Folgekosten draufschlägt, die sich aus dem Leerfischen der Meere ergeben, könnten man sie ja gar nicht mehr bezahlen. Das ist für mich der richtige Weg.

Die Furche: Aber wie sollten sich denn Konsumentinnen und Konsumenten verhalten?

Hartmann: Es ist natürlich ein Unterschied, ob ich brasilianisches Biorindersteak fürs bessere Gewissen kaufe, für dessen Futter ebenfalls der Regenwald gerodet wird, weil ich darauf nicht verzichten will. Oder ob ich regional und saisonal einkaufe, weil ich zum Weniger und Verzicht bereit bin. Eine kritische Masse, die sich freiwillig einschränkt, wird es nie geben und hat es nie gegeben. Konsumenten sollen sich wieder als Bürger sehen und mit öffentlichem Druck die Politik dazu bringen, Unternehmen zum umweltverträglichen Handeln per Gesetz zu zwingen. In der alten Umweltbewegung hat das hervorragend funktioniert.

Die Furche: Ist für Sie Corporate Social Responsibility (CSR, unternehmerische Verantwortung für die Gesellschaft) also nur scheinheilig?

Hartmann: CSR ist kein Ersatz für Regeln und Gesetze, Freiwilligkeit kann niemand einfordern und der Verstoß dagegen ist nicht sanktionierbar. Abgesehen davon dürfen Unternehmen sich nicht aussuchen dürfen, wo sie angeblich Verantwortung übernehmen wollen. Das tun sie immer da, wo ihnen kein Nachteil entsteht und ihr Profit nicht geschmälert wird. Echte Nachhaltigkeit ist mit dem Wachstumsgedanken nicht vereinbar. Und Unternehmen profitieren von den Strukturen des ungerechten Weltwirtschaftssystems: Sie machen umso mehr Profit, je billiger sie produzieren und einkaufen können. Und das ist immer dort der Fall, wo man auf Menschenrechte und Umweltschutz eben keine Rücksicht nehmen muss.

Berkmann: Nein, CSR ist keineswegs immer scheinheilig. Sie gehen von einem sozialromantischen und unvollständigen CSR-Begriff aus. Ein ganz wichtiger Punkt bei CSR ist nämlich, dass sich Unternehmen selbstverständlich auch um ihren Profit kümmern müssen und sollen! Der Bestand eines Unternehmens, die Beschäftigung von Mitarbeitern ist auch ein Teil von Nachhaltigkeit. Es geht bei CSR keineswegs nur um Fair Trade und Biobauern. Das ist ein viel weiter zu betrachtender Begriff und das wird oft vergessen.

Die Furche: Wie lebt SPAR CSR?

Berkmann: Wichtig ist, dass sich ein Unternehmen um die Dinge im Rahmen von CSR kümmert, die im unmittelbaren Wirkungskreis des Unternehmens liegen. Für SPAR ist das die gesunde Ernährung, die Lehrlingsausbildung, die Unterstützung benachteiligter Menschen, die Nahversorgung, die Förderung heimischer Landwirtschaft etc. Ich kann echt nicht erkennen, was daran scheinheilig sein soll im Gegenteil, ich halte das für vorbildlich und gescheit.

* Das Gespräch moderierte Christina Repolust

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