"USA haben zu lange auf Pump gelebt"

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Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble im Gespräch über die Differenzen zwischen der EU bzw. Deutschland und den USA.

Spiegel: Herr Minister, wie gut verstehen Sie sich mit Ihrem amerikanischen Amtskollegen Timothy Geithner?

Schäuble: Herr Geithner ist ein exzellenter Minister. Wir haben ein persönlich gutes Verhältnis.

Spiegel: Trotzdem kritisiert er unablässig die Regierenden jener Länder, die hohe Exportüberschüsse erzielen und zu wenig tun, um die Binnenwirtschaft anzukurbeln. Damit sind doch Sie gemeint, oder?

Schäuble: Die Vermutung liegt nahe. Deshalb antworte ich ihm wieder und wieder, dass ich seine Betrachtungsweise in dieser Angelegenheit für falsch halte.

Spiegel: Immerhin hat Deutschland im vergangenen Jahr fast 14 Milliarden Euro mehr an Waren in die USA verkauft als von dort eingeführt. Können Sie nicht verstehen, dass sich der amerikanische Finanzminister deswegen Sorgen macht?

Schäuble: Nein, denn seit wir in Europa den Euro eingeführt haben, ist nicht mehr der US-Handel mit Deutschland ausschlaggebend, sondern der mit der Gesamtheit der Länder der Euro-Zone. Und hier ist die Bilanz tendenziell ausgeglichen. Wo also ist das Problem? Wir beklagen uns ja auch nicht über die Exporterfolge einzelner amerikanischer Bundesstaaten.

Spiegel: Die deutsche Wirtschaft profitiert aber davon, dass sich die Industrie hierzulande vor allem auf die Auslandsmärkte konzentriert hat und die Löhne jahrelang kaum gestiegen sind. Die Amerikaner betrachten das als unfair.

Schäuble: Die deutschen Exporterfolge gründen nicht auf irgendwelchen Währungstricksereien, sondern auf der gestiegenen Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Das amerikanische Wachstumsmodell dagegen steckt in einer tiefen Krise. Die USA haben zu lange auf Pump gelebt, ihren Finanzsektor übermäßig aufgebläht und ihren industriellen Mittelstand vernachlässigt. Es gibt viele Gründe für die amerikanischen Probleme - die deutschen Exportüberschüsse gehören nicht dazu.

Spiegel: Das sieht die US-Regierung anders. Sie fordert, dass die deutschen Amerika-Exporte künftig gedrosselt werden müssen, wenn sie einen bestimmten Schwellenwert übersteigen. Werden Sie dem Drängen nachgeben?

Schäuble: Der Vorschlag ist für Deutschland unter keinen Umständen akzeptabel. Würden wir solche Mechanismen einführen, würden wir den internationalen Wettbewerb ja beschränken. Wir sind doch aber seit Jahren gemeinsam mit den Amerikanern der Auffassung, dass der Welthandel weiter geöffnet werden muss. Daran sollten wir festhalten und zum Beispiel die Doha-Runde zur Förderung des Welthandels vorantreiben. Das würde das globale Wachstum weit effektiver fördern als eine bilaterale Quotenregelung.

Spiegel: Vergangene Woche hat die US-Notenbank beschlossen, die Wirtschaft mit zusätzlichem Geld in Höhe von 600 Milliarden Dollar zu fluten. Wird das die Konjunktur wie erhofft ankurbeln?

Schäuble: Ich habe große Zweifel, ob es sinnvoll ist, unbegrenzt Geld in die Märkte zu pumpen. Der US-Wirtschaft mangelt es nicht an Liquidität; deshalb vermag ich das ökonomische Argument dieser Maßnahme nicht zu erkennen.

Spiegel: Die USA wollen auf diese Weise den Wert des Dollar drücken, um so ihre Produkte im Ausland leichter verkaufen zu können. Ist das angesichts der lahmenden US-Konjunktur nicht eine durchaus nachvollziehbare Strategie?

Schäuble: Nein. Die Beschlüsse der US-Notenbank erhöhen die Unsicherheit in der Weltwirtschaft. Sie erschweren einen vernünftigen Ausgleich zwischen Industrie- und Schwellenländern, und sie untergraben die finanzpolitische Glaubwürdigkeit der USA. Es passt nicht zusammen, wenn die Amerikaner den Chinesen Wechselkursmanipulationen vorwerfen und anschließend den Dollar-Kurs mit Hilfe ihrer Notenpresse künstlich nach unten schleusen.

* Der Spiegel, 8. November 2010

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