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Das Tiroler Höf ereclit—Beispiel ?

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Als im Jahre 1897 mit der Anlegung des Grundbuches in Tirol begonnen wurde, ergab sich die Notwendigkeit, die veralteten, zum Teil noch aus dem 18. Jahrhundert stammenden Vorschriften, die die Zersplitterung des bäuerlichen Grundbesitzes verhindern sollten, zeitgemäß zu erneuern und das in der bäuerlichen Sitte wurzelnde Anerbenrecht gesetzlich zu untermauern. Dies geschah durch das Landesgesetz vom 12. Juni 1900, betreffend die Rechtsverhältnisse geschlossener Höfe, das als erstes von dem Rahmengesetz von 1SS9 Gebrauch machte. Später ist dann nur Kärnten mit dem Landesgesetz vom 16. September 1903 nachgefolgt.

Das Tiroler Höfegesetz schränkte einerseits die Verfügungsfreiheit des Eigentümers insofern ein, als jede Veränderung an dem Bestände und dem Umfange des Hofes an eine Bewilligung der Höfebehörde gebunden wurde; andererseits schützte es den Hof vor einer Teilung im Erbfalle, indem es bestimmte, daß von mehreren Erben immer nur einem, dem Anerben, der Hof zufallen könne. Weitere Beschränkungen im Verkehr mit landwirtschaftlichen Grundstücken und Besitzungen führte dann erst im Weltkrieg eine kaiserliche Verordnung vom Jahre 1915 für ganz Österreich ein, die nunmehr durch das Grundverkehrsgesetz von 1919 ersetzt ist. Nach dieser Verordnung wurden Rechtsgeschäfte unter Lebenden, die die Übertragung des Eigentums, die Einräumung des Fruchtgenußrechtes oder die langfristige Verpachtung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke betreffen, an die Genehmigung der bei den Gerichten eingesetzten Grundverkehrskommissionen gebunden. Damit war in Tirol auch die Veräußerung eines Hofes als Ganzem einer behördlichen Bewilligung unterworfen.

Die Einführung des deutschen Reichsrechtes in Österreich brachte dann die Anwendung des deutschen Reichserbhofgesetzes auf die den Anforderungen dieses Gesetzes entsprechenden Besitzungen, den Ersatz des Grundverkehrsgesetzes durch die im allgemeinen auf den gleichen Grundsätzen aufgebaute deutsche Grundstückverkehrsbekanntmachung und schließlich die Einführung der Landbewirtschaftsverord-nung mit ihren Maßnahmen zur Sicherung der Landbewirtschaftung im Interesse der Ernährungswirtschaft. Diese deutschen Vorschriften sind zum Teil als wesentliche Fortschritte zu werten, während sie zum anderen Teil als rein nationalsozialistisch und als übe: triebene Bevormundung der bäuerlichen Besitzer abzulehnen sind.

Aus dieser Gesetzesiage ergibt sich, daß gleichzeitig mit der Aufhebung der deutschen Gesetzgebung die österreichischen Vorschriften den Bedürfnis, en aer Gegenwart entsprechend abgeändert und ausgestaltet werden müssen. Die bloße Wiederinkraftsetzung der österreichischen Gesetze ist ebenso unmöglich wie die Beibehaltung des deutschen Reichsrechtes. Wenn wir wirklich den Bauernstand gesund erhalten und seine Leistungsfähigkeit dauernd bewahren wollen, so ist es unvermeidlich dem landwirtschaftlichen Besitz einen erhöhten Schutz zu gewähren, wärend andererseits die Ver-fügungsfreiheit des Besitzer? eingeschränkt und die volle Ausnützung der wirtschaftlichen Möglichkeiten sichergestellt werden muß.

Welches sind nun die Mängel, die dem in Tirol geltenden österreichischen Recht in dieser Hinsicht anhaften?

Zunächst gilt das Anerbenrecht nur für den Fall der gesetzlichen Erbfolge. Der Hofbesitzer kann sie durch letztwillige Verfügung ausschließen und den Hof unter mehreren Erben aufteilen Wenn man grundsätzlich den Hof als die wünschenswert bäuerliche Besitzform ansieht, muß man auch der Testierfreiheit Schranken setzen. Man kann dem Eigentümer möglichst Freiheit in der Bestimmung der Person des Anerben lassen, aber der Grundsatz der ungeteilten Vererbung muß auch bei der testamentarischen Erbfolge gelten. Wie bei der gesetzlichen Erbfolge der Wert des Hofes so zu bestimmen ist, daß „der Ubernehmer wohl bestehen“ kann, so muß auch verhindert werden, daß der Erblasser in seinem Testament den Besilznachfolger übermäßig belastet.

Zweitens ist es notwendig, nicht nur dafür vorzusorgen, wie es durch das Grundverkehrsgesetz geschieht, daß der Hof als solcher in bäuerlichen Besitz erhalten wird,

Stellt also ja nicht gegen euch selbst ein solches Beispiel auf, athenische Männer, daß, wenn ihr einen bescheidenen Mann vom Volke über irgendeinem Vergehen trefft, ihr ihn ohne Schonung und Erbarmen behandelt und ums Leben bringt oder ehrlos macht — wenn aber ein reicher Mann übermütig frevelt, ihr ihm Verzeihung angedeihen laßt. Das sei ferne! Denn dies wäre nicht gerecht. Zeigt vielmehr gegen die Vergehungen aller und jeder die gleiche Strenge]

Demosthenes, Rede gegen Phidias

Widern auch, daß er in der Familie des Bauern bleibt. Darüber besteht doch kein Zweifel, daß die Liebe zur ererbten Scholle und die Hoffnung, den Hof der eigenen Nachkommenschaft erhalten zu können, der wirksamste Antrieb zur guten Wirtschaftsführung ist. Deshalb müssen die geltenden Vorschriften über die Veräußerung des Hofes dahin ergänzt werden, daß eine solche Veräußerung in der Regel nur dann erfolgen darf, wenn der Hot dadurch der Familie des Besitzers nicht entfremdet wird.

Drittens vermißt man in der österrei-diischen Gesetzgebung jeden Schutz des Bauern vor übermäßiger Verschuldung. Was nützt es, wenn im Erbfall die Belastung des Hofes mit Erbschulden so weit eingeschränkt wird, daß der Übernehmer des Hofes wohl bestehen kann, wenn der Besitzer dann nachher unbeschränkt Schulden machen und den Hof mit Pfandrecht belasten kann? Die heikle Frage der Verschuldungsfreiheit muß unbedingt endlich gelöst werden. Wir glauben, daß das Deutsche Reichserbhofgesetz gezeigt hat, daß der Kredit des Bauern durch das Belastungsverbot nicht geschädigt wird. Die Unveräußerlichkeit des Hofes und der Zwang zu einer ordentlichen Wirtschaftsführung ist die beste Sicherung für die Gläubiger des Bauern, auch wenn ihre Forderungen nicht ptandrechtlich auf dem Hofe eingetragen sind. Nur jene Schulden, die unmittelbar der bäuerlichen Wirtschaft dienen, dürfen als Hofschulden pfandrechtlich gesichert werden und gehen damit auf jeden Besitznachfolger über. Für alle persönlichen Schulden des Besitzers dagegen haftet dieser nur mit seinem übrigen Vermögen. Dementsprechend kann es auch keine Zwangsvollstreckung an dem Hof geben; auch das notwendige Betriebsinventar muß vor Exekution geschützt werden.

Endlich fehlen im österreichischen Recht alle Sicherungen gegen eine schlechte Wirtschaft des bäuerlichen Besitzers. Die weitgehenden Vorzugsrechte, die das Höferecht dem Eigentümer einräumt, rechtfertigen andererseits die Festsetzung von Zwangsvorschriften, die eine ordnungsmäßige Bewirtschaftung des Hofes sichern sollen. Die bezüglichen Vorschriften des Reichserbhofrechtes, die in der Landwirtschaftsverord-nang auch auf alle anderen landwirtschaftlichen Besitzungen, die nicht Erbhöfe sind, ausgedehnt wurden, können nicht aufgehoben werden, ohne eine empfindliche Lücke im bäuerlichen Wirtschaftsrecht zu hinterlassen. Sie müssen deshalb in das neue Höferecht eingebaut werden.

Bei der Umgestaltung eines Rechtsgebietes von so tief eingreifender Bedeutung tauchen begreiflicherweise eine ganze Reihe von Fragen auf. deren glückliche Lösung für die ersprießliche Auswirkung des zu schaffenden neuen Gesetzes von größter Bedeutung sind. Da ist zunächst die Frage, welche Besitzungen • als Höfe zu erklären sind. Sind es nur „Einzelhöfe“ mit geschlossenem Grundbesitz oder sind alle bäuerlichen Besatzungen mittlerer Größe oder sind auch größere Güter einzu-beziehen?

Da das Höferecht, wenigstens in Tirol, im allgemeinen doch nichts anderes darstellt, als die Festlegung der in der bäuerlichen Sitte wurzelnden Rechtsauffassung, so muß es wohl auf die Besitzungen bäuerlichen Charakters beschränkt werden, diese aber zur Gänze erfassen, gleichgültig ob es sich um geschlossene Güter oder Güter in Gemenglage handelt. Es wird sich deshalb auch empfehlen, die leicht zu Irrtümern führende Bezeichnung des alten Höfegesetzes „geschlossene Höfe“ aufzugeben und einfach durch „Höfe“ zu ersetzen. Die Bezeichnung „Erbhöfe“ ist deshalb unpraktisch, weil sich diese Bezeichnungen in Tirol schon für altererbten Besitz, der von der Landesregierung besonders geehrt wird, eingebürgert hat.

Eine zweite solche Frage betrifft die Behandlung der in Miteigentum stehenden Höfe. Das alte Höfegesetz stellt Alleineigentum nicht als Voraussetzung der Hofeigenschaft hin; das Anerbenrecht gilt aber nur für die Erbfolge nach einem Alleineigentümer. Ein Hof konnte also an mehrers Personen verkauft werden und bei Miteic \ umshöfen vererbten sich die einzelnen Anteile nach den allgemeinen Erb-vorschnften Es ist aber doch einleuchtend, daß ein Bauer nur dann ordentlich und nachhaltig zu wirtschaften die Möglichkeit und auch die Lust hat, wenn er allein auf dem Hof anzuschaffen hat. Es nuß deshalb getrachtet wenden, die Miteigentumsverhältnisse bei bäuerlichen Besitzungen möglichst zu beseitigen. Zu diesem Zwecke ist es notwendig, einerseits das Entstehen neuer Miteigentumshöfe auszuschließen, und andererseits auch die Vererbung von Miteigentumshöfen an die Anerbenfolge zu binden in der Weise, daß die Besitzer nur einen gemeinsamen Anerben bestellen können und beim Fehlen einer solchen Bestimmung von Gesetzes wegen der Anerbe des Besitzers des größten Anteiles auch Anerbe der übrigen Miteigentümer ist. Eine andere Besitzform des Hofes muß auch möglichst beseitigt werden, nämlich die Innehabung von Höfen durch juristische Personen. Ausnahmsweise kann ja ein solcher Hof als Lebensgrundlage für eine Säuerliche Pächtersfamilie dienen; in der Regel wird aber der im Eigentum einer Körperschaft oder einer Aktiengesellschaft stehende Hof dem bäuerlichen Betriebe entfremdet werden. Darum sollte der Verkauf von Höfen, die im Besitz juristischer Personen sind, begünstigt werden.

Einer Neuregelung bedarf der bäuerliche Übergabsvertrag. Die Übergabe des Hofes zu Lebzeiten des Eigentümers an den voraussichtlichen Hoferben darf nicht weiter wie bisher als gewöhnlicher Kauf behandelt werden, sondern er ist vorausgenommene Erbfolge und muß deshalb nach den gleichen Grundsätzen behandelt werden wie diese. Der Ubernehmer hat daher nicht einen Kaufpreis zu zahlen, sondern er hat nur wie im Erbfall eine dem Hofwert entsprechende Schuld an den Nachlaß auf sich zu nehmen. Der Hofwert wird natürlich um das den Übergeber zu gewährende Altenteil verringert sein.

Ebenso wie die Hofübergabe ist auch die bäuerliche Nutzverwaltung ein Rechtsinstitut eigener Art, das aus dem Reichserbhofrecht übernommen werden ollte. In den Fällen, in denen dem Hofbesitzer die Fähigkeit zur selbständigen Wirtschaftsführung fehlt, sei es wegen Minderjährigkeit oder hohen Alters oder Krankheit, sei es weil er seinen Hof andauernd nicht ordentlich bewirtschaftet oder seinen Schuldverpflichtungen nicht nachkommt, obwohl es bei der Wirtschaftslage des Hofes möglich wäre, kann nach dem Reichserbhofgesetz dem Hofbesitzer die Nutznießung und Verwaltung des Hofes entzogen und dem Ehegatten oder dem zukünftigen Anerben des Hofbesitzers übertragen werden. Dem Hofbesitzer bleibt die Wohnung und der Unterhalt auf dem Hofe; ihm bleibt auch das Eigentumsrecht und das Recht, über den Hof letztwillig zu verfügen. Dieses auf die Eigenart des bäuerlichen Betriebes abgestellte Fruchtgenußrecht wird in vielen Fällen dazu dienen, dem Bauern und seiner Familie den Hof zu erhalten, den er sonst unter viel ungünstigeren Bedingungen abgeben müßte.

Hinsichtlich der Behandlung des Nachlasses wird man bei der Regelung des Tiroler Höfegesetzes bleiben müssen. Der Hof wird aus dem Nachlaß ausgeschieden; der Anerbe wird dafür in der Höhe des reinen Hofwertes Schuldner des Nachlasses. Der Anerbe erhält, wenn er überhaupt Erbe ist, seinen Erb- oder Pflichtteil wie die anderen Erben; für die Nachlaßschulden haftet er nur mit seinem Erbteil. Das Rcicb.erbhofgesetz hat den Anerben wesentlich günstiger gestellt: Der Anerbe erhielt den Hof ohne jede Gegenleistung an den Nachlaß, jedoch mußte er auf seinen Erbteil verzichten, soweit dieser nicht größer war als der Wert des Hofes. Andererseits hatte er die Nachlaßverbindlichkeiten zu tragen, die nicht aus dem übrigen Nachlaß bericb'igt werden konnten. Diese Regelung des Reichserbhofrechtes ist aber eine gar zu große Benachteiligung der übrigen Erben; für den gesicherten Bestand des Hofes genügt die Bestimmung, daß der Hof unter allen Umständen so bewertet werden muß, daß der Ubernehmer auf ihm bestehen kann.

Wenn im Sinne dieser Ausführungen eine Neugestaltung des Höferechtes durchgeführt wird, wird es sich jedenfalls empfehlen, in das gleiche Gesetz auch die Vorschriften über den Verkehr mit anderen landwirtschaftlichen Besitzungen und mit einzelnen Grundstücken aufzunehmen. Dieselben werden sich im allgemeinen an das Grundverkehrsgesetz zu halten haben. Ferner werden die Bestimmungen zur Sicherung der Landbewirtschaftung ebenso wie für die Höfe so auch für alle übrigen landwirtschaftlichen Liegenschaften in das Gesetz zu übernehmen sein.

Die Zusammenfassung dieser Vorschriften mit dem eigentlichen Höferecht zu einem Gesetz würde auch den Vorteil bieten, daß für alle Belange des landwirtschaftlichen Grundverkehrs eine einheitliche Behördenorganisation geschaffen werden könnte. Im österreichischen Recht gab es einerseits die Höfekommissionen,- die den Bezirkshauptmannschaften angegliedert waren, andererseits die Grundverkehrskommissionen bei den Gerichten. Im deutschen Recht war die ZerspKttrrung noeb großen m Erbhöfesachen entschieden die Anerbengerichte, für che Genehmigungen nach der Grundstückverkehrsbekanntmachung waren die politischen Behörden zuständig und die Maßnahmen zur Sicherung der Landbewirtschaftung hatten die Amtsgerichte unter Beiziehung von Laienbeisitzern zu treffen. Es wird sich empfehlen, alle diese Agenden einer Behörde zu übergeben, die nach dem Muster der Grundverkehrskommissionen einzurichten wären.

Zur Durchführung dieses Gesetzgebungswerkes wird ein Bundesgrundsatzgesetz und ein Landesgesetz notwendig sein. Das Besondere an diesem Rechtsgebiet ist ja, daß hier Maßnahmen der Bodenreform und der Landwirtschaftsverwaltung untrennbar mit Normen des Zivilrechtes verbunden sind. Ob das aus diesem Grunde notwendige Bundesgesetz nur die Ermächtigung ,der Tiroler Landesgesetzgebung zur Regelung dieser Materie enthalten oder allgemein auch für andere Länder die grundlegenden Bestimmungen aufstellen soll, hängt davon ab, ob sich auch außerhalb Tirols in den Kreisen der Landwirtschaft ein größeres Interesse für die Einführung und Ausgestaltung des Höferechtes zeigen wird, das in Tirol als die wichtigste Voraussetzung für die Erhaltung eines gesunden und leistungsfähigen Bauernstandes angesehen wird.

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