Achille_Mbembe_2 - © Wikimedia / Heike Huslage-Koch

Achille Mbembe: Die Nachtseite der Demokratie

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Die Geschichte der modernen Demokratie hat eine Tag- und eine Nachtseite, meint Achille Mbembe, und letztere kann man auch heute sehen, wenn man will.

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Die Geschichte der modernen Demokratie hat eine Tag- und eine Nachtseite, meint Achille Mbembe, und letztere kann man auch heute sehen, wenn man will.

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Moderne Demokratien bemühen sich um Frieden, sie beherrschen Gewalt und Aggression durch allseits akzeptierte Rituale, sie kümmern sich darum, dass es möglichst allen gut geht. Soweit die landläufige Auffassung, an die man allzu gerne glaubt. Vor allem, wenn sie für einen selbst stimmt. Wenn man das Glück hat, in Frieden aufwachsen und wählen zu dürfen, Rechte zu haben, durch Gesetze vor Willkür anderer geschützt zu sein und eine Heimat zu haben, die zu verlassen keine zwingenden äußeren Gründe vorliegen. Zurecht gilt es diese Gesellschaftsform zu verteidigen und nicht nur durch die Teilnahme an Wahlen zu stützen.

Doch die Vorstellung, dass "das Leben in Demokratien grundlegend friedlich, geordnet und frei von Gewalt" sei, "vermag einer Überprüfung kaum standzuhalten", meint der Historiker und Philosoph Achille Mbembe. Auch Demokratien tolerierten von Anfang an gewisse Formen politischer Gewalt. Allerdings sind diese nicht unbedingt sichtbar: etwa weil sie die Anderen betreffen. Denn neben jenen, die von den süßen Früchten der Demokratie naschen können, gibt es auch jene, für die diese Früchte nicht vorgesehen sind.

Um Ausgeblendetes sehen zu können, hilft es die Wahrnehmung zu ändern. Diese ist für Europäer heute immer noch europazentriert, eingeschult in europäischer Geschichte, viel zu selten in Perspektiven von außerhalb der sogenannten westlichen Welt. Eine solche bringt seit Jahren der kamerunische Historiker Achille Mbembe ein, dessen Werke auf Deutsch erscheinen. In seinem mäandernden Essay "Politik der Feindschaft", für den er vor allem die Werke des französischen Psychiaters Frantz Fanon wiederliest, blickt Mbembe auf die "Nachtseite" der Demokratie.

Tag- und Nachtseite

Das Beispiel demokratischer Sklavenstaat etwa zeigt, dass sich eine Gesellschaft einerseits in Richtung Frieden und Gemeinschaft von "Gleichen" entwickeln konnte, dass es aber parallel dazu immer auch Nichtgleiche, "Menschen ohne Teilhabe" gab, also einen rechtsfreien Raum, "in dem man den schlimmsten Grausamkeiten freien Lauf lässt, ob es sich nun um körperliche Übergriffe, Folter oder summarische Hinrichtungen handelt". Rassismus lieferte die Begründungen dafür, die Plantage zum Beispiel den Ort.

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