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Höhlenforschung und Wirtschaft

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Nach dem zweicen Weltkrieg stellt sich die wirtschaftliche Notlage als bedeutend größer dar, als nach 1918. Vor allem leidet unsere Landwirtschaft an dem Mangel unumgänglich notwendiger Phosphorsäuredüngermittel, ein Zustand, der eine stetig zurückgehende Ertragsfähigkeit der Kulturflächen bedeutet.

An eine Einfuhr wichtiger, bodenverbessernder Kernnährstoffe ist derzeit kaum zu . denken, somit sind wir gezwungen, uns ähnlich wie nach dem ersten Weltkrieg nach heimischen Phosphaterden umzusehen. Mit Ausnahme weniger obertägig aufgeschlossener Phosphoritlager (Vorarlberg, Oberösterreich - Prambachkirdien) brachte allein die alpine Höhlenforschung reiches Beobachtungsmaterial über phosphat-haltige Höhlenlehme und -erden zustande.

Zurückgreifend auf das 1928 erlassene Gesetz, das die Gewinnung phosphorsäure-haltiger, für Düngungszwecke verwendbarer Stoffe dem Staate vorbehält und womit die verfassungsrechtliche Basis für die zentrale Führung dieser Agenden gegeben ist, wurde neuerdings vom Bundesdenkmalamte im Einvernehmen mit dem Ministerium für Land- und Forstwirtschaft eine Phosphataktion in österreichischen Höhlen ins Leben gerufen.

Bereits über ein Jahr lang werden diese wertvollen Erden mit Erfolg aus der Lettenmayerhöhle bei Kremsmünster, Oberösterreich, abgebaut und in der Steiermark wurt i durch das geologisch-paläontologische Institut der Universität Griz eine großangelegte Suchaktion eingeleitet,

Es ist daher von Interesse, einmal unter den bisher nahezu 2000 katastermäßig er- • faßten Naturräumen, die phosphatführenden Höhlen aufzusuchen. Der Begründer der Phosphatforschung, Hofrat Dr. Rudolf Willner, gab für die ganze österreichischungarische Monarchie 43 Naturhöhlen mit phosphathaltigen Inhaltsprodukten an; davon wurden im heutigen Österreich die Drachenhöhle bei Mixnitz vollständig und die beiden Peggauer Höhlen wie die Badlhöhle teilweise abgebaut.

In 10 Höhlen sind bisher größere Mengen Phosphaterden nachgewiesen und in 30 Höhlen ist deponierte Erde vorhanden, die ob ihrer Einschlüsse und übrigen Konstitution für Düngungszwecke geeignet erscheint und die einer näheren Untersuchung wert wäre.

Die klassische Phosphacfundstelle war die Drachenhöhle (952 Meter ü. d. M.) im Rötelstein bei Mixnitz, Steiermark, die eine Länge von 550 Meter hat und von der bei einem durchschnittlichen Gehalt von 13.5 Prozent p2o5 rund 3000 Waggon, im ganzen 2500 Tonnen P2 C“5 der Landwirtschaft zugeführt werden konnten. Die Höhle liegt im Devonkalke und} ist der Rest eines ehemaligen von Nordost herkommenden unterirdischen Flußlaufes der Miozänzeit. Damals war die Mittelsteiermark eine Hochebene mit niederen, flachen Kuppen und die Flüsse waren quer zum heucigen Murtal gerichtet. Durch die lösende Kraft der kohlensäurehaltigen atmosphärischen Niederschlagswässer wurde dieses Riesentunnel der Drachenhöhle aus- . gesdiwemmt. Jahrtausende vergingen. Tek-tonische Störungen brachten die Wässer zum Versiegen oder führten sie auf anderen Wegen durch den Berg. Die Höhle wurde trocken und drei mächtige Verstürze lagerten sich im Rauminneren als Gesteinsbarrieren ab und verhinderten so die Abtragung der Bodensedimente. Inzwischen schwemmten andere Wässer das tiefe Murtal aus und trennten im heutigen Landschaftsbilde den uralten Flußlauf der Drachenhöhle voneinander, das Zugangsportal wurde frei und die Höhle wurde von den damaligen Tieren aufgesucht. Mit der allmählichen Klimaänderung zur ersten Eiszeit wediselten vor allem, aus einem massigen Urbaren ihren Ursprung nehmend, in den nun folgenden Eiszeiten Höhlenbären ein. Diese Riesenbären, die den heute'noch lebenden Braunbären um ein Drittel an Körpergröße übertrafen, waren vorwiegend Pflanzen- und Kerbtierfresser, und sie waren unter den herrschenden Verhältnissen gezwungen, zwei Drittel des Jahres im Winterschlaf zuzubringen, wobei sich ausgezeichnet für den Aufenthalt die gleichmäßig temperierten Räume der Drachenhöhle mit der kleinen, durstlöschenden Felsenquelle im Berginneren eigneten.

Man hat beim Abbau 230.000 Kilogramm Knochen festgestellt, wovon 5000 Kilogramm wissenschaftlich bearbeitet wurden. Die Knochen, Kadaver und Exkremente des Höhlenbären, ebenso die ähnlichen Ablagerungen von Beutetieren bauten zusammen mit dem fossilen und rezenten Fledermausguano die Phosphatlager auf. Die in der Drachenhöhle verendeten Bären wurden auf 50.000 Individuen geschätzt, wobei einem Höhlenbären ein Lebendgewicht von 500 Kilogramm zuzusprechen ist, das wieder etwa 7.5 Kilogramm P2 Os ausmacht und wozu jährlich von einem Tier etwa 7.5 Kilogramm P2 Os durch Exkremente abgesetzt werden.

Dadurch, daß die Phosphorsäure vorwiegend in Form des zitronensäurelöslichen Biphosphates vorhanden ist, ist eine Aufschließung des Düngemittels, das dem Thomasmehl völlig gleichwertig ist, für den landwirtschaftlichen Gebrauch nicht notwendig, außerdem bleibt die Löslichkeit des P2 Os gleich, ob das Material trocken oder grubenfeucht ausgestreut wird.

Die landwirtschaftlichen Versuche brachten sehr befriedigende Ergebnisse, und zwar bei Roggen eine Steigerung des Ertrages auf 730 Kilogramm Körner und 1160 Kilogramm Stroh auf den Hektar und bei Weizen 270 Kilogramm Körner und 720 Kilogramm Stroh auf den Hektar bei Verwendung von 60 Kilogramm P2 Os, was etwa 400 Kilogramm Höhlendünger entspricht.

Wenn auch ursprünglich die Höhlen-düngerproduktion als Kriegsnotbehelf gedacht war, so kann unter den heutigen Verhältnissen keineswegs mehr aditlos die Aktion beiseitegelassen werden, wenn man bedenkt, daß in Österreich noch über 450.000 Hektar Bodenflächen verbesserungsbedürftig sind und künstliche Düngemittel aus dem Ausland schwerer als vor dem Krieg für Österreich erreichbar sind.

Zweifellos befinden sich unter den Tausenden erforschten Höhlen in Österreich noch mehrere, die Dünger beinhalten, der nach Menge und Güte ausreichend ist, der notHdenden Landwirtschaft zugeführt zu werden.

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