Buchstaben gegen Bilderflut

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Porträt des Künstlers Peter Daniel, der in einer Veranstaltungsreihe des Otto Mauer-Zentrums vorgestellt wird.

Peter Daniel arbeitet künstlerisch in der konkreten und der visuellen Poesie. Der konkreten Poesie geht es um die visuell erfahrbare Bildlichkeit des Schriftlichen - um die bildliche Anschaulichkeit der einzelnen Buchstaben oder der Textvernetzungen von Buchstaben. Es geht nicht mehr um das Abstraktum eines Zeichens, dessen Wesen die nicht erscheinende Bedeutung wäre, sondern um das konkret vor Augen Liegende. Die dadurch provozierten Assoziationen der Bedeutungen mögen dabei nicht gänzlich unwichtig sein. Schließlich: Warum riskiert denn die Konkrete Poesie auch bei Peter Daniel noch Wörter?

Konkrete und visuelle Poesie

Solches gilt ebenso für eine andere Folgerung aus dem Konkreten innerhalb der konkreten Poesie, welche sich nicht auf die Schrift bezieht, sondern auf die lebendig gesprochene Sprache, auf ihre Musikseite, nicht ihren Bedeutungsübertrag. Daher stürzte sich ja die Konkrete Poesie besonders auf Dialektdichtung, weil der Dialekt noch stärker an das Tönende gebunden ist, besonders für die, die in ihm nicht mehr zuhause sind.

Visuelle Poesie nun verschiebt den Akzent zum Bildlichen, baut ihre Darstellungen aus dem Schriftlichen als der anschaulichen Materie auf, wobei es zu höheren oder geringeren Graden der Beteiligung dieser Materie kommen mag. Sie muss als solche in den Blick fallen und sich über die sinnliche Wahrnehmung dem Bewusstsein aufdrängen. Sonst hinge das Poetische in der Luft.

Peter Daniel arbeitet in beiden Richtungen. Dabei geht es ihm, so belegen seine beiden Bücher ("En-sof" und " Zaun", Edition Splitter Wien), um ein Sich-Stemmen gegen jene Bilderflut, die durch die neuen Medien anwächst und alle anderen Kommunikationsweisen zu überschwemmen und zu ertränken scheint. Wohlgemerkt, nicht diese Medien selber sind gemeint, auch nicht die Bildlichkeit selber, sondern das Überhandnehmen der Bilderflut, wenn sie keine andere Kommunikation mehr neben sich oder in sich dulden will.

Aber Peter Daniel meint mit seiner künstlerischen Arbeit nicht nur dieses warnend-kritische Kontra. Einer der Hintergründe, auf die er sich in seiner Produktion bezieht, ist die Kabbala, eine mystische Strömung des Judentums. Ein Hauptstrom des abendländischen Denkens sah die Schrift als ein konventionelles Zeichensystem für die semiotische Vermittlung von Lautfolgen an. Die Kabbala hingegen behandelte die Schrift als ein System von Kräften, die die Welt bewirken.

Peter Daniel spürt etwas davon wieder sich regen in den Symbolsystemen der gegenwärtigen Naturwissenschaften. Das motivierte ihn zu eindrucksvollen Collagen und Montagen, in denen er dem Betrachter eine naturwissenschaftliche Kabbala vor Augen führen will. Wodurch aber auch eine Überkreuzung dieser Wissenschaften mit der Konkreten Poesie angestiftet wird.

Bilderverbot

Einen anderen Hintergrund bildet das aus der jüdischen Religion kommende Bilderverbot. Jüdisch wurde es allerdings weitestgehend nur verstanden als Verbot, Bildwerke für die Präsenz des Heiligen zu nehmen, also Bildwerke in irgendeiner Form zu heiligen. Erst die anderen aus dem Judentum hervorgegangenen monotheistischen Religionen des Christentums und des Islams machten daraus ein zentrales Problem. Der Islam entwickelte daraus, allerdings erst recht lang nach seiner Entstehung, eine radikalisierte Form des Bilderverbots, nur etwas abgefedert durch hohe Toleranzen im Privatbereich, während das Christentum alle möglichen Kompromissvarianten zwischen den Bildern und dem Heiligen annahm.

Anagogie war im westeuropäischen Christentum das Schlagwort und das Deckungswort, das heißt ein bloßes Heranführen der analphabetischen Gläubigen an die Gehalte der Religion, so dass genau genommen nicht einmal Verehrung der Bildwerke stattfinden dürfe. Doch im östlichen Christentum ließ man sich, durch theologisches Sichwinden der Argumentation seit Johannes Damascenus, sogar auf einen Bilderglauben ein. Aber das Christentum war überall auch immer wieder durchzogen von Bilderstürmen, bis in die neuzeitlichen Revolutionen hinein.

Nun versteht Peter Daniel seinen Bezug zu dem, was vom Bilderverbot bezeichnet ist, freilich um einiges anders, obgleich das Antiheidnische darin mitspielt. Man könnte schließlich ganz säkular das im Bilderverbot Gemeinte ausdrücken als die Geltungsmacht der Bilder. Und dann wären wir heute wieder bei der Bilderüberflutung, durch die die Geltungs- und Einflussmacht der Bilder mächtig angehoben würde. Früh schon in den vergangenen fünfziger Jahren hat Günther Anders davon gesprochen, dass die neuen Medientechnologien eine Darstellungswelt erschüfen, die in einer Phantomatik die reale Welt verschwinden ließe ("Die Antiquiertheit des Menschen").

Reale Welt verschwindet

Und in anderen Wort- und Begriffswahlen hat später Jean Baudrillard dasselbe theoretisch vertreten. Jetzt hieß es, die künstlich erzeugten Simulacra würden die Realität ersetzen, der Mensch wäre wieder, gleichsam wie im Heidentum, bloß die Funktion der Institutionen, die künstliche Vorstellungswelten erzeugen anstelle der Wirklichkeit und durch deren Bildlichkeit die Menschen steuern. Das mag sich als die Einsatzstelle von Peter Daniels Kontra in seiner künstlerischen Arbeit für Schrift und Buchstaben zeigen.

T - das ist das Tor

In seinem jetzigen Projekt arbeitet er mit den zwei T. Das T mag an das Kreuz erinnern. Aber vor allem zeigt es ein Grundmuster des Architektonischen, die Stütze und den Träger als das Gestützte und zugleich Grundlage für weitere Stützen, den Fortbau. Im architektonischen Kontext dieses Buchstabens fühlt man sich zudem sofort an das Tor erinnert. Tor, das ist um einiges mehr als eine Öffnung in Architekturen. Es ist der Übergang schlechthin von einem zum anderen, von innen nach außen wie umgekehrt, von Schutz zu Eingeschlossenheit wie Ausgeschlossenheit. Peter Daniels Inszenierung des 2xT bildet zu solchen Umhöfen selber das Tor.

Der Autor ist Professor für Sprache und Ästhetik an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main.

Veranstaltungsreihe

im Otto Mauer Zentrum,

1090 Wien, Währinger Straße 2-4

Montag, 31. März, 19.30 Uhr

2 x T Lesung von Peter Daniel

und Felix Philipp Ingold

Einleitung: Brigitta Höppler

Montag, 7. April, 19.30 Uhr

Sakralkunst :

Wurzel der visuellen Poesie?

Eugen Gomringer, Jürgen Blum

Einleitung: Gernot Wisser SJ

Montag, 14. April, 19.30 Uhr

Bilderverbot: Wurzel der

Buchstäblichkeit des Darstellens?

Burghart Schmidt, Gustav Schörghofer, Sigrid Kurz, Karl-Heinz Klopf,

Einleitung: Hartwig Bischof

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