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Der Albertz-Nachfolger

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Darin, daß es dem Regierenden Bürgermeister unmöglich wurde, das Amt erneut zu besetzen, zeigt sich das zweite Problem, das die akute Krisensiituation West-Berlins gegenwärtig bestimmt. Die Sozialdemokratische Partei, seit langem führend in West-Berlin, steckt selbst in großen Schwierigkeiten. Linker und rechter Flügel arbeiten derzeit zusammen, um der Mitte, die im wesentlichen die Senatoren stellt, Pairoffi bieten zu können. Überdies ist die personelle Situation der Sozialdemokraten in West-Berlin gegenwärtig keineswegs erfreulich: Als der ehemalige Regierende Bürgermeister, Willy Brandt, im vergangenen Jahr Vizekanzler

und Außenminister der Großen Koalition in Bonn wurde, gingen etliche der begabtesten Berliner SPD-Politiker mit ihm. Der Aderlaß war beträchtlich. Einer der Abgewanderten, der ehemalige Senator für Bundesangelegenheiten und bisherige Brandt-Staatssekretär Klaus Schütz, allerdings wird als Albertz-Nachfolger wieder nach Berlin zurückkehren. In den nächsten Tagen wird mit seiner „offiziellen“ Wahl gerechnet.

Öffnung nach dem Osten?

Ob der dritte Problemkreis der Berliner Situation mit der Demissio-nSienung des Regierenden Bürger-

medsters in Zusarrmienlhang steht, ist vorerst fraglich und wohl vor allem ein Argument der triumphierenden chrdstlich-demokratischen Opposition. West-Berum, ohne natürliches Hinterland ohnehin wirtschaftlich bedroht, hat die wirtschaftliche Regression der Bundesrepublik deutlich zu spüren bekommen. Gedanken, die von Planern bislang gleichsam auf dem Reißbrett bewagt wurden, gewannen jetzt größeres Gewicht: die Planungen nämlich, die West-

Berlin mehr als bisher zur Drehscheibe zwischen Ost und West machen solllten. Niemand in West-Berlin denkt freilich daran, die festen Bindiungen an den Westen preiszugeben. Ob aber eine gewisse Öffnung nach Osten von wirtschaÄchem und vielleicht sogar von politischem Nutzen sein könnte — das ist eine Frage, die zur Zeit auch noch unter den Berlinern höchst unterschiedlich beantwortet wird.

Die Sozialdemokraten, die bis auf einen Senator aius den Reihen der Freien Demokraten derzeit aüe Mitglieder des Senats stellen, haben sich in dieser Hinsicht auf ihrer Glienilk-ker KLausurtagung geeinigt; ein Landesparteitag wird demnächst

endgültig darüber entscheiden: Künftig soll der Regierende Bürgermeister den Ost-Berliner Behörden Verhandlungen vorschlagen. Als Ver-handlungsgegenistände werden Passierscheine, Telephonverkehr, Austausch auf wissenschaftlichem, technischem, kulturellem sowie sportlichem Gebiet voogesehen. Und schließlich soll auch die geographische Lage Berlins für einen intensiveren Osthandel genutzt werden, wobei daran gedacht wird, die Be-miühungen der einzelnen Firmen in einem „Institut für Außenhanctel“ zu kcKjrdiinieren.

Eines steht fest: Heinrich Albertz allerdings wird diese Aufgabe nicht mehr übernehmen.

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