Die Theorie von Allem, Jan Bülow - © PANAMA Film KG

Jan Bülow: „Ich habe Wien lieben gelernt“

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Burg-Star Jan Bülow im Gespräch über seinen neuen Kinofilm „Die Theorie von Allem“, das Burgtheater – und warum er vor Künstlicher Intelligenz keine Angst hat.

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Burg-Star Jan Bülow im Gespräch über seinen neuen Kinofilm „Die Theorie von Allem“, das Burgtheater – und warum er vor Künstlicher Intelligenz keine Angst hat.

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Jan Bülow ist Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters und wurde einem großen Publikum bekannt, als er 2020 den Panikrocker Udo Lindenberg in „Lindenberg! Mach dein Ding“ spielte. Jetzt gibt er die Hauptrolle in Timm Krögers filmischem Philosophicum „Die Theorie von Allem“, das im Wettbewerb des Filmfestivals von Venedig Premiere hatte und jüngst auch bei der Viennale bejubelt wurde.

1962 fährt Johannes Leinert (Bülow) zu einem Physikkongress in die Schweizer Alpen. Dort will ein iranischer Wissenschaftler neue Theorien der Quantenmechanik präsentieren – allein: In dem Alpenhotel fehlt jede Spur von dem Iraner. Die Gäste üben sich derweil in Warten. Johannes lernt eine mysteriöse Jazzpianistin kennen – und am nächsten Tag wird einer der Gäste tot aufgefunden und Ermittlungen starten. Es ist der Beginn eines düsteren Geheimnisses, in das Johannes verwickelt wird.

„Die Theorie von Allem“ ist Mysterythriller, Krimi, Horrorfilm und anspruchsvolles Drama. In elegantem Schwarzweiß gedreht, erinnert der Film an Hitchcock oder an alte Edgar Wallace-Filme. Regisseur Kröger hat eine bildgewaltige Genreverfilmung vorgelegt, die rätselhaft und schlau, schräg, überwältigend und vielschichtig zugleich ist.

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Letzten Endes profitiere ich als Schauspieler von einer tollen Idee und darf den Ruhm ernten für etwas, woran andere lange gearbeitet haben.

Jan Bülow

DIE FURCHE: Herr Bülow, haben Sie das Drehbuch zu „Die Theorie von Allem“, einem Film der sich um Quantenmechanik und die Frage dreht, wie die Welt denn funktioniert, eigentlich gleich auf Anhieb verstanden?

Jan Bülow: Nein, und ich habe es eigentlich noch immer nicht kapiert, worum es dabei geht! Aber gerade deshalb wollte ich dieses Projekt unbedingt machen, weil man eben nicht jede Ebene auf Anhieb versteht, und das ist gut so. Ein Rätsel, ein Mysterium, das die Zuschauer fesselt, ist doch eine gute Voraussetzung für einen gelungenen Kinobesuch. Man muss nicht alles auf einer metaphysischen Ebene verstehen, um von dieser Geschichte fasziniert zu sein. Bei der ersten Vorführung stand ich bei einigen Szenen vor einem Rätsel, die ich beim Dreh aber begriffen hatte. Regisseur Timm Kröger hat es mir dann neuerlich erklärt - am Ende gibt es für jede Szene eine schlüssige Erklärung. Ich dachte: Wenn der Film nur halb so gut wird wie das Buch, dann ist das schon genial. Ich will mich jetzt gar nicht kleinreden, aber letzten Endes profitiere ich als Schauspieler von einer tollen Idee und darf den Ruhm ernten für etwas, woran andere lange gearbeitet haben, und ich kam ja sozusagen nur in der letzten Phase von diesem ganzen Prozess hinzu.

DIE FURCHE: Es soll ja sogar Voraussetzung dafür gewesen sein, dass Sie im Film eher ratlos wirken. Stimmt das?

Bülow: Ja, das stimmt. Timm Kröger wollte, dass ich das alles erst verstehen lernen muss. Er hat mich an die Rolle richtig herangeführt, das ist inzwischen selten geworden in unserem Beruf. Ich spreche da vor allem für das Theater. Es gibt heute zu viele Regisseure, die nicht in der Lage sind, ihre Schauspieler zu führen. Das ist ein großes Problem unserer Zunft.

DIE FURCHE: Inwiefern? Bülow: Wir bewegen uns in einer Zeit, in der Schauspieler immer unwichtiger werden. Das klingt jetzt natürlich total eitel, aber es geht eher darum, dass das gesprochene Wort wieder wichtiger wird und weniger die bildgewaltige Optik von Filmen.

DIE FURCHE: Ist der Streik der HollywoodSchauspieler aus Ihrer Sicht gerechtfertigt? Die fordern ja genau das. Und sie wollen nicht, dass sie von Künstlicher Intelligenz ersetzt werden.

Bülow: Ich habe das natürlich mitbekommen. Aber ich bin da komischerweise ziemlich angstfrei, was die KI betrifft. Bis die all das beherrscht, was echte Menschen können, wird es lange dauern. Wahrscheinlich bin ich da eher entspannt, weil ich aus dem Theater komme und weil das Theater eine sehr physische Live-Erfahrung ist. Beim Film gibt es die KI-Bedrohung natürlich. Da geht es auch um Existenzen. Ich glaube aber nicht, dass sich das nachhaltig durchsetzt. Wenn die Leute der Meinung sind, dass sie lieber Filme sehen wollen, die vom Computer ausgerechnet wurden, dann sollen sie das tun. Dann habe ich keinen Job mehr. Aber ich will nicht daran glauben, dass das Publikum so etwas wirklich sehen will.

DIE FURCHE: Besondere Filme wie „Die Theorie von Allem“ sind eher rar gesät im deutschsprachigen Kino. Woran liegt das?

Bülow: Ich bin zwar kein Experte, aber ich glaube, dass viele lieber keine extravaganten Plots wagen, weil man die Erwartungen des Publikums treffen will. Man denkt, die Zuschauer wollen eben nur bestimmte Geschichten sehen. Das führt dazu, dass viele Filme sich eher anbiedern, in der Hoffnung zu gefallen - was sie aber belanglos macht. Besonders beim Humor der deutschen Komödien gibt es Verbesserungsbedarf.

DIE FURCHE: Der Film ist auch eine Herausforderung für Sehgewohnheiten. Und er erfordert die Vorstellungskraft, dass es Metaversen gibt.

Bülow: Ich bin für allerlei schräges Zeug zu begeistern, solange es dafür eine wissenschaftliche Grundlage gibt - reine Fantasy-Stoffe langweilen mich dagegen eher. Metaphysische Dinge verstehe ich gar nicht. Aber deshalb finde ich, den Film kann man sich durchaus zweimal anschauen, um neue Ebenen zu entdecken. Muss man aber nicht. Wenn mir jemand sagt, dass er mit dem Film überhaupt nichts anfangen kann, ist das auch ok. Ich bin jedenfalls sehr glücklich damit, und freue mich, wenn andere Spaß daran haben.

DIE FURCHE: Ein Teil des Films wurde im legendären Südbahnhotel am Semmering gedreht. Wie war diese Erfahrung?

Bülow: Es ist ein unglaubliches Hotel, und man spürt darin eine vergangene Ära, weil es so lange Zeit geschlossen ist. Wir waren ganz oben auf dem Dach und meinten, dass man von da sogar bis nach Wien sehen kann! Unglaublich, diese Location! Voller Geschichte und voller Geschichten. Mich fasziniert so etwas.

DIE FURCHE: Eine letzte Frage noch zum Burgtheater, denn wir sprachen uns zuletzt, als Sie neu ins Ensemble gekommen sind und den Betrieb noch nicht kannten. Ist das Haus inzwischen eine Heimat geworden für Sie?

Bülow: Ja, ich habe erst kürzlich gedacht, jetzt fange ich an, Wien so richtig zu lieben, und ein Kollege meinte, man braucht vier Jahre dafür, um sich an Wien zu gewöhnen und es zu lieben. Und es stimmt, diese Zeit habe ich gebraucht. Ich liebe das Burgtheater und diese Stadt, weil sie auch eine eigene Dynamik hat und weil man hier gar keine Öffi-Karte braucht. Denn Wien ist die optimale Stadt zum Flanieren.

Die Theorie von Allem - © PANAMA Film KG
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Film

Die Theorie von Allem

D/A/CH 2023. Regie: Timm Kröger.
Mit Jan Bülow, Olivia Ross, Hanns Zischler, Gottfried Breitfuß, David Bennent, Philippe Graber, Imogen Kogge.
Stadtkino. 118 Min.

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