Globalisierung im Kleinen

Werbung
Werbung
Werbung

Mit der Kunst als Kommunikationsmedium der Kulturen beschäftigt sich eine aktuelle Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst in Wien. Als globales Laboratorium zeigt sie die Welt verkleinert - mit riesigen Ausblicken auf politische Prozesse zwischen 1500 und 1700.

Wann immer sich die G8, die G15 oder die G20 als die angeblich einflussreichsten Länder dieser Welt zu einem Gipfel treffen, um über die nächsten Weichenstellungen für den Weltenlauf zu diskutieren, werden sie von Demonstranten begleitet, die diesem Abstimmungsforum keine Lösungskompetenz für die immer mehr unter dem Aspekt eines Dorfes gesehene Welt zutrauen. Sie treten hier gegen eines der berühmtesten Schlagworte der letzten zwanzig Jahre auf: die Globalisierung. Zumindest suggeriert dies die Beschriftung auf der Schublade, in die sie gesteckt werden, dort steht nämlich "Globalisierungsgegner" zu lesen. Nun sind diese Globalisierungsgegner selbst zumeist ein bunt zusammengewürfelter Haufen, haben also selbst bereits einen Globalisierungsprozess hinter sich. Weil sie also selbst bereits globalisiert "am Rande" bei diesen Treffen teilnehmen, wenden sich vor allem dagegen, dass die Globalisierung nur die wenigsten erreicht.

Junger Begriff, lang bestehendes Faktum

Was als junger Begriff daherkommt, bezeichnet aber ein seit Langem bestehendes Faktum. Nachvollziehbar wird dies für die Zeit von 1500 bis 1700 an einer Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst. Als globales Laboratorium zeigt sie die Welt im Kleinen - mit riesigen Ausblicken auf die Globalisierungsprozesse in diesen zwei Jahrhunderten. Kernstück bildet dabei ein besonderer Schatz aus der hauseigenen Sammlung: sechzig Blätter aus dem Hamzanama-Zyklus. Die anlässlich der Weltausstellung 1873 erworbenen Blätter werden nach zehnjähriger Restaurierungsarbeit nun erstmals mit Blick auf die bemalte Vorderseite und die beschriebene Rückseite präsentiert. Erzählt wird hier die Geschichte vom Onkel des Propheten Mohammed, so wie sie sich 900 Jahre nach den tatsächlichen Ereignissen für die vom Mogulherrscher Akbar engagierten Künstler dargestellt hat. Rund hundert Namen der daran Beteiligten sind heute noch bekannt, nicht nur ein kollektives Werk also, das zwischen 1557 und 1577 entstanden ist, sondern auch ein Werk, für das Maler aus Indien, China und Europa den Pinsel geschwungen haben.

Vielfältiger Austausch

Die für sich genommen schon beeindruckende Präsentation des fürstlichen Selbstverständnisses der Mogulherrscher ist ergänzt durch drei thematische Erweiterungen, die das damalige Umfeld mit hervorragenden Exponaten vorstellen. Zunächst ändern sich in diesem Zeitraum sowohl die geografischen Darstellungen als auch der Einblick in den Kosmos tiefgreifend. Die Entwicklungen in der Astronomie und der Navigation erlaubten einen ganz anderen Zugriff auf die Welt, neben den Ingenieuren, die ausgefeilte nautische Instrumente bauten, fanden auch die Künstler in der Kartografie ein anregendes Betätigungsfeld. Und selbstredend verrät der spezifische Blick von damals einiges, wie das Beispiel der "Vollständigen Karte der zehntausend Länder der Erde" zeigt, die der Jesuitenmissionar Matteo Ricci zu Beginn des 17. Jahrhunderts in China entwarf. Um in China größere Akzeptanz zu erreichen, platzierte er China - schließlich das "Reich der Mitte" - eben in der Mitte seiner Weltkarte.

Diese neue Kenntnis der Beschaffenheit der Welt förderte nicht nur den Austausch von Waren, untrennbar damit verbunden wechselten auch Kunstwerke und das Wissen aus unterschiedlichsten Bereichen zwischen den Kontinenten hin und her. Dabei lassen sich bei diesen Transfers die Abstufungen zwischen Integrationsleistungen einerseits und der Beibehaltung des Fremden zwecks Unterstreichung der eigenen Weltgewandtheit andererseits wunderbar beobachten, aber eben nicht trocken theoretisch, sondern mit genussvoller Augenlust. Im vierten Teil schließlich geht es um die Potenz von Kunstwerken, Identitäten zu schaffen: für Europa am Beispiel der Frage nach der wohlproportionierten Körperlichkeit - vorgestellt etwa an den Studien von Albrecht Dürer, für die islamische Welt anhand des Zusammenspiels von Ornament und erzählenden Illustrationen und für den fernen Osten in der Bevorzugung von Idealen gegenüber Naturtreue im westlichen Verständnis. Der umfangreiche Katalog bietet eine Fülle an Hintergrundwissen, bis zu den Übersetzungen von den Schriftseiten des Hamzanama. Zeitgleich bietet der Kunstblättersaal auch noch eine informative Zusammenstellung über Forschung und Restaurierung des Hamzanama-Zyklus. Von Globalisierungsgegnern aus der Entstehungszeit des Hamzanama ist nichts bekannt, obwohl auch damals nicht alle von den Vorteilen des Globalisierungsprozesses profitierten. Da haben es heute die Museumsbesucher richtiggehend gut.

Global:Lab.

Kunst als Botschaft, Asien und Europa 1500 -1700

Museum für Angewandte Kunst, Weiskirchnerstr. 3, 1010 Wien, bis 27. 9., Di 10 -24, Mi-So 10 -18 Uhr. Katalog: Peter Noever (Hg.), Global:Lab. Kunst als Botschaft, Asien und Europa 1500 -1700, dt.-engl., Ostfildern (Hatje Cantz) 2009, 368 S., e 49,80

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung